7.

[166] Hymne


Wenige wissen

Das Geheimniß der Liebe,

Fühlen Unersättlichkeit[166]

Und ewigen Durst.

Des Abendmahls

Göttliche Bedeutung

Ist den irdischen Sinnen Räthsel;

Aber wer jemals

Von heißen, geliebten Lippen

Athem des Lebens sog,

Wem heilige Gluth

In zitternde Wellen das Herz schmolz,

Wem das Auge aufging,

Daß er des Himmels

Unergründliche Tiefe maß,

Wird essen von seinem Leibe

Und trinken von seinem Blute

Ewiglich.


Wer hat des irdischen Leibes

Hohen Sinn errathen?

Wer kann sagen,

Daß er das Blut versteht?

Einst ist alles Leib,

Ein Leib,

In himmlischem Blute

Schwimmt das selige Paar. –


O! daß das Weltmeer

Schon erröthete,

Und in duftiges Fleisch

Aufquölle der Fels!

Nie endet das süße Mahl,

Nie sättigt die Liebe sich.

Nicht innig, nicht eigen genug

Kann sie haben den Geliebten.

Von immer zärteren Lippen

Verwandelt wird das Genossene

Inniglicher und näher.
[167]

Heißere Wollust

Durchbebt die Seele.

Durstiger und hungriger

Wird das Herz:

Und so währet der Liebe Genuß

Von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Hätten die Nüchternen

Einmal gekostet,

Alles verließen sie,

Und setzten sich zu uns

An den Tisch der Sehnsucht,

Der nie leer wird.

Sie erkennten der Liebe

Unendliche Fülle,

Und priesen die Nahrung

Von Leib und Blut.

Quelle:
Novalis: Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Band 1, Stuttgart 1960–1977, S. 166-168.
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