9. An Asterien

[11] Zweymal ist jetzund gleich der schöne Früling kommen,

Und zweymal hat der Frost deß Winters abgenommen

Der Bäume grünes Kleid, als Venus zu mir kam

Und mich, Asterie, von Phebus Seiten nam

Und dir zugab; vorhin entbrandten meine Sinnen

Durch Durst der Ewigkeit, als ich mich zu gewinnen

Der Tugendt Schloß befließ; jetzt bin ich, meine Ziehr,

So weit von ihnen ab, so nah' ich bin bey dir.

Wie offt' hab' ich bißher gehoffet frey zu werden,

Wie offtmals hatten mich geführet von der Erden

Die Flügel der Vernunfft, wann nicht das weite Meer

Der grossen Freundligkeit in dir gewesen wer?

Jedoch wird mich und dich Thalia nicht verschweigen,

Mein Augentrost, ich geh', ich geh' jetzt zu ersteigen

Der Ehren hohes Schloß; ob gleich der schnöde Neid

Den Weg verwachen wird, den Weg der Ewigkeit.

Der schnellen Jahre Flucht, so alles sonst kan tödten,

Hat nicht Gewalt in uns; die trefflichen Poeten

Sind viel mehr als man meynt; ihr hoher Sinn und Geist

Ist von deß Himmels Sitz' in sie herab gereist.

Ein frey Gewissen auch ist gar nicht angebunden

An das Geschrey deß Volcks, das ähnlich ist den Hunden:

Sie bellen in die Lufft, wo sie nicht können gehn,

Und bleiben doch allhier weit von dem Himmel stehn.

So bald uns Atropos den Faden abgeschnitten,

So balde haben wir auch unser Recht erlitten;

Wann unsre Seel' und Geist deß Leibes sind befreyt

Und lassen diese Welt, so lest uns auch der Neidt.

So ward auch Hercules, der Kern der Helden, inne,

Daß niemandt weil er lebt die Mißgunst zähmen könne.

Diß ist der alte Lauff. Ich, den du hier sihst stehen,

Und auch dein Lob mit mir, soll nimmer untergehn,

Es sey daß mir hinfort für andern wird belieben

Was Aristoteles, was Seneca geschrieben,

Was Plato, reich von List, was Seneca gesagt,

Was Cato; oder auch es sey, das mir behagt

Ohn einigen Termin die Bücher aller Alten,

So durch deß Himmels Gunst bißher sind vorbehalten,

Zu schliessen in mein Hertz', als wie ein muthig Pferdt,

Das sich an keinen Zaum und keine Schrancken kehrt,[12]

Und kan nicht stille stehn, begiehrig fort zu lauffen;

Es sey auch, wie es will, so werd' ich von dem Hauffen

Deß Pöfels seyn getrennt; mein Lieb, mit dem Bescheid'

Erwart' ich deiner Huldt und Gegenfreundligkeit.

Gleich wie ein Tigerthier, der Säuglinge beraubet,

Jetzt dort', jetzt dahin laufft, es wütet, tobet, schnaubet,

Es heulet, daß die Berg' und aller Wald erschallt,

So schrey ich auch nach dir, mein bester Auffenthalt.

Ergib dich, daß du nicht, wann ich dir bin genommen,

Dürffst sagen allererst: Ach möchtstu wider kommen,

O Philomusus werth, O edeler Verstandt,

Wie hertzlich wolt' ich doch dir bieten meine Hand,

Dir bitten meine Lieb' und rechte wahre Treue!

Dann wird vergeblich seyn, o Jungfrau, deine Reue,

Dann wird vergeblich seyn dein Weinen, Klag' und Leidt.

Das Korn wechst gar nicht mehr, ists einmal abgemeyt.

Wer wird hernach, mein Lieb, wer wird hernach dich preisen,

Wann diß mein irrdin Faß dann wird die Würme speisen?

Drumb komm, o Schöne, komm, eh' es zu langsam ist,

Komm, laß uns gehn den Weg, den ich mir außerkiest.

Schau, o Asterie, die Meisterinn der Zeiten,

Das ewige Geschrey, die Hand nach dir außbreiten,

Und dir geneiget seyn; nimb sie von Hertzen an,

Die ewig deine Ziehr und dich erhalten kan.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 11-13.
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