Hauswirthschaft

[1] Weder von der Einfachheit, noch von der Umständlichkeit der Wirthschaftseinrichtung und -Führung vergangener Zeit hat das jetzige Geschlecht einen Begriff. Zwar hatte man weniger Bedürfnisse, aber auch äußerst geringe Hilfsmittel, dieselben zu befriedigen. Handwerk und Industrie waren nicht auf der Stufe der heutigen Entwicklung. Der Zunftzwang und die herrschenden Gewerbeordnungen tyrannisirten nicht nur die Handwerker, sie tyrannisirten auch das Publikum, man war in der Hauswirthschaft auf Selbsthilfe angewiesen. Und diese Hauswirthschaften bildeten so zu sagen viel größere Complexe als jetzt. Nicht allein jeder Handwerker, auch jeder Kaufmann und Apotheker hatten ihre Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge mit in Wohnung und Kost, jeder Nechtsanwalt seine Schreiber u.s.w. So kam es viel seltener vor wie jetzt, daß ein Mädchen, das sich verheirathete, nur allein für sich und den Gatten zu wirthschaften hatte, wobei es denn jetzt, wenn ein Dienstmädchen gehalten wird, so gut wie nichts zu thun giebt, sondern die junge Frau trat oft gleich in einen großen und meist arbeitsvollen Hausstand; sie hatte nicht nur überflüssige Nippsachen ihres Boudoirs und die Luxusartikel ihres Salons in Ordnung zu halten, worauf sich meist die Thätigkeit unserer heutigen jungen Gattinnen[1] im ersten Ehejahr beschränkt. Heirathete sie aber einen Gelehrten oder Beamten, Arzt oder Künstler, wo es sich wirklich nur um ein Paar ohne Anhang handelte, so verzichtete man, wo nicht besonderer Rang und Reichthum vorhanden, auf eine Gehilsin – Magd, wie man damals sagte und behalf sich mit einer Aufwärterin mindestens so lange, als die Ehe kinderlos war.

Aber es sah zur Zeit unserer Großmütter und Mütter gewaltig anders aus in Haus und Stadt und nun gar auf dem Lande, wie jetzt. Fast alle, auch die einfachsten Bedürfnisse einer Haushaltung mußte man erst in dieser sich selbst bereiten. Die Wäsche ward im Hause gewaschen, Brod und Kuchen selbst gebacken, alle Vorräthe für den Winter, Früchte vom einfachsten Dörren an bis zum complicirtesten Gelée, Fleisch in den verschiedensten Zubereitungen, Butter und Eier – Alles ward durch eigene Hausarbeit für den Hausverbrauch bereitet und aufbewahrt, wobei das Letztere oft gerade so viel Mühe machte wie das Erstere. Ja, auch Seife ward im Hause selbst gesotten und Lichte wurden gegossen – Talglichte – lange Zeit hindurch der Hauptbeleuchtungsgegenstand, auf den wir später zurückkommen, da die Wandlungen, welche die künstliche Beleuchtung erfahren, so interessant sind, daß wir ihnen ein eignes Kapitel widmen.

Auch die Gastfreundschaft war eine andere, als die jetzige und es wurden andere Anforderungen an sie gestellt. Freilich ging es da viel einfacher zu als jetzt, man war genügsamer in Beziehung auf manche Delicatessen, die eben in Rücksicht auf den Transport viel schwerer zu beschaffen waren, genügsamer in Beziehung auf die Service, auf das Vielerlei des Geschirrs u.s.w., welches[2] jetzt z.B. zu dem einfachsten Abendbrot erforderlich. Aber man lebte damals eben viel mehr im Hause, wie außer demselben, indeß jetzt das umgekehrte Verhältniß fast das herrschende geworden! Man suchte sonst sein Vergnügen eben nur im Hause, nicht in der Restauration, – eine Dame hätte im Winter nie eine solche betreten! War man einmal gastfrei, so sah man nicht nur eingeladene große Gesellschaften bei sich, sondern man empfing wer kam und setzte vor »was das Haus vermag«; man kam weder der Form, noch des Essens willen zusammen, sondern zur gemüthlichen Unterhaltung und da es oft wenn auch in einfacher Weise geschah, so machte das schließlich in einer Haushaltung mehr Arbeit und Kosten als jetzt die paar lucullischen Gastmähler, die eine vermögende Familie giebt und wozu oft Alles nur im Hôtel bestellt wird und der Hausfrau jede Mühe erspart ist. Und dann erstreckte sich die damalige Gastfreundschaft auch nicht nur auf Besuche für den Abend oder Tag – man hatte so manchen für Tag und Nacht und zwar auf Wochen, Monate. Das Reisen war theuer und beschwerlich, wer da einmal kam von fernen Freunden und Verwandten kam gleich auf längere Zeit – Studenten pilgerten bekanntlich zu Fuß »die Vetternstraße«, um die Ferien billig hinzubringen, für jede Dame galt es einen ungeheuren Entschluß, wenn sie in einem Gasthaus einkehrte, sie zog darum jede Familie vor, wenn sie sich auf einer Reise befand, die länger als einen Tag währte – und so fehlte es nie an Gästen, am wenigsten in solchen Familien, von deren Gastfreiheit man überzeugt war.

Am Anschaulichsten kann man schildern was man im Elternhaus selbst erfahren und ich denke, so ungefähr wie[3] bei uns ging es in den meisten Familien des Mittelstandes zu, wo das Haupt, der Ernährer derselben, das Nöthige dazu verdiente und gewissenhaft verwendete. Mein Vater besaß ein eignes Haus in Meißen und einen Weinberg in der Nähe, war – wie es nach römischen Muster hieß – »Senator« und Gerichtsdirector, später, nach neueren Einrichtungen, allein das letztere, da es eben in Sachsen noch Patriamonialgerichte gab. – Die Eltern, vier Töchter, eine Schwester der Mutter, zwei Schreiber und ein Dienstmädchen, bildeten einen Durchschnittshausstand von neun Personen, der bei einer großen Wohnung parterre und erste Etage eines Eckhauses von 14 Fenstern und ein paar Zimmern des dritten Stockes, schon ein ziemlich respectabler und eben dadurch noch mehr, als er selten ohne auswärtigen Besuch war. Eine Kammer des Erdgeschosses hieß gar nicht anders als die »Studentenkammer«, weil sie nur für junge Leute bestimmt war, da gab es Neffen u.s.w., die sich darin niederließen, wenn sie Ferien oder in anderen Verhältnissen keine Stelle hatten; dann gab es wieder Nichten, die zu halben oder ganzen Jahren in unserer Familie sich vervollkommnen oder unterhalten sollten und die unser Mädchenzimmer mit theilten, dann wieder Freundinnen von Mutter oder Tante, die gern einmal einige Wochen sorgenfrei zubringen wollten – Verwandte und Freunde, die aus wahrer Freundschaft kamen und aufgenommen wurden oder um die schöne Gegend zu genießen, für welche dann besondere Gastzimmer bereitet waren. Natürlich vermehrte dies die Hausarbeit nicht wenig – aber 'alle weiblichen Hände mußten mit zugreifen und es ging, da eben die Mutter selbst das allerbeste Beispiel gab. Vom frühen Morgen[4] an war sie in der Wirthschaft thätig und dabei doch jeden Augenblick bereit, am Morgen kurze Besuche und Mittag und Abend Gäste zu empfangen – auch im Sommer, auf der Sommerwohnung, dem Weinberg, auch wenn wir nicht ganz da wohnten, sondern nur Nachmittags hinausgingen. Gab es im Winter erst Thee und Backwerk, dann, am gedeckten Tisch eines anderen Zimmers, kalte Küche und Wein, so auch im Sommer, nur vorher schäumende Milch mit Backwerk und Obst. Man nahm eben was im Hause war – aber ein Blick auf diese Vorräthe erscheint mir jetzt fast märchenhaft!

In großen Kellern lagerten ganze Kufen vom Rhein mit den besten Sorten gefüllt, daneben friedlich der sonst so verrufene Meißner in veredelter Gestalt, Stückgesäße von allen Größen und Werthen und ganze Dutzende gefüllter Flaschen – den Weinkeller besorgte der Vater selbst. Daneben ein andrer Keller, wo auf besonderen Gestellen viele Scheffel Aepfel wohlgeordnet lagen, darunter die Kartoffeln, dann zwei riesenhafte Pökelfässer, wohlgefüllt mit Rind- und Schweinefleisch, das dann später, theilweis in den eignen Räucherkammern auf den Boden durch Holzrauch in den Essen, mit vielen Würsten noch eine zweite Zubereitung erhielt. In Gewölben des Erdgeschosses Buttertöpfe von allen Größen wohlgefüllt, zum Kochen für den Winter, Fässer und Krüge mit Gurken und Gemüsen, ganze Schränke voll Büchsen mit eingemachten Früchten, ganze Horten voll gebacknes Obst, Eier in Stellagen mit Löchern zierlich aufgestellt, andere vom Juli und August in irdenen Töpfen und Kalk wohl verwahrt – ein Erträgniß der eigenen Hühnerzucht – und dann, je nach der Jahreszeit, Wild vom kleinsten bis[5] zum größten, Geflügel u.s.w. Auch die Materialwaaren wurden im Ganzen gekauft – Zucker und Kaffee mindestens nach 1/4 und 1/2 Centnern und so Alles. Da wirthschaftete es sich wohl hübsch und wenn Besuch kam, brauchte man nur aus Keller und Speisekammer zu holen, was gebraucht ward – allein Alles dies vorzubereiten und zu erhalten erforderte doch keine geringe Mühe. Wie oft mußte man nicht allein im Keller nach den Aepfeln sehen, die, mit den faulen Fleckchen heraussuchen, sie noch schnell zu verwenden. Nun, zum Glück gab die Mutter das Beispiel, daß solche Arbeiten wie ein Vergnügen betrachtet wurden. Wie hüllte man sich im Winter ein, um immer gern zu Zweien trepp auf, trepp ab zu laufen und alles Nöthige zu besorgen und herbeizuholen. Das Beste aber war, daß immer alles seinen stillen geräuschlosen Gang gehen mußte, daß nirgend Wirthschaftslärm sich hörbar machte, nie durfte von Andern bemerkt werden, daß es viel zu thun gab. Da huschte man leicht und leise hin über die wollenen Deckenläufer in den Vorzimmern und Corridoren, da gestalteten sich die gemeinsamen häuslichen Arbeiten, gerade weil es so wenig Dienerschaft dabei gab, zu angenehmen Geschäften, von Frohsinn und heiterm Mädchengeplauder gewürzt. Da galt es als eine Ehre, einen Ruhm, Hausarbeiten zu bewältigen, die man eigentlich nicht nöthig hatte, die Niemand den weißen, feinen Händchen zugetraut. Da freute man sich der Arbeit selbst und dann ihres Resultates, ja, es war ordentlich belustigend, mehr zu thun, als selbst von der Mutter angeordnet war, allein, ohne fremde Beihülfe und ohne daß jemand Anders eine Ahnung davon hatte. Man spielte gern Heinzelmännchen und Aschenbrödel[6] und zwar im vollsten Sinn des Wortes – denn man träumte sich aus so realistischen Geschäften gern in das Reich der Feen und der Romantik hinüber – man athmete im Küchenbrodem geduldig, weil man wußte, daß es draußen im Garten, auf dem Weinberg balsamische, reine Luft gab – die eigentliche Lebensluft, die man auch dann wieder frei und ganz genießen durfte, man hatte ja das ganze Köpfchen angefüllt von Romantik und Idealismus voll Schiller und Jean Paul und höher klopfte das Herz vor der Fülle von Poesie, die es in sich aufgenommen.

Ja, die Welt der Poesie war nie und nirgend über der Hausarbeit vergessen! Wenn man beisammen saß im Vorsaal oder in der »Kinderstube«, die später, wo es keine Kinder mehr gab, sondern nur ich, als sieben Jahre jüngeres »Nesthöckchen« als die vorgehende Schwester noch eine Zeit lang Schulkind war zur Stube für häusliche Arbeit geworden – wenn man da Gemüse zuputzte oder Obst zum Einsetzen vorbereitete – es war eben nicht die hübscheste Arbeit Johannisbeeren abzubeeren, Bohnen zu schneiden, Schoten aufzubrechen, Pilze zu putzen u.s.w. – aber da wurde dabei vorgelesen, das mußten sich die englischen wie deutschen Romanschriftsteller gefallen lassen: Walther Scott, Cooper und Bulwer, Wilhelm Hauff, Ernst Wagner, Henriette Hanke, Caroline Pichler, Rellstab, Sealsfield u. A., sie verloren Nichts von ihrer Würde. Ihre Charaktere prägten sich uns nur um so lebendiger aus und ein, als man gleichsam zusammen mit ihnen lebte, von ihnen sprach in Ernst und Scherz. Ebenso ward vorgelesen bei der gemeinsamen Näharbeit – und es gab allerdings viel zu nähen in einer so großen und[7] immer in gutem Stand gehaltenen Wirthschaft. Nähmaschinen und Geschäfte fertiger Wäsche gab es noch nicht und es hätte in einer Familie mit Töchtern für eine Schande gegolten, Näharbeit, selbst die einer Ausstattung außer dem Hause fertigen zu lassen, während man doch gerade auf große Wäsche-Vorräthe hielt und diese als das nothwendigste Fundament eines geordneten Haushaltes betrachtete; doch davon später.

Hier noch Einzelnes über hauswirthschaftliche Einrichtungen jener Zeit. – Es wurden vorhin beiläufig die Decken in den Corridoren u.s.w. erwähnt. Ich muß bemerken, daß dies schon ein großer Fortschritt war. Bislang hatte die Sitte geherrscht, über die weißgescheuerten Dielen im Wohn- und Vorzimmer und auf den Treppen weißen Sand zu sieben, er wurde täglich am Morgen weggekehrt, um so den Schmutz mit zu entfernen, und wieder frischer darüber gestreut. Ich entsinne mich noch genau, daß meine Mutter unter den ersten Hausfrauen war, welche diese entsetzliche Sitte abschafften, aber daß sie noch lange in vielen Familien bestand. Wie das bei jedem Tritt knirschte und stäubte! welche Qual für Ohren, Nerven und Lungen! wie ungesund! und wie gefährlich auf den Treppen, zumal auf Steintreppen, man denke vollends des Abends, wenn sie nicht erleuchtet waren! Es gehörte Talent dazu, die Treppen nicht hinabzufallen und fast täglich geschah es, besonders den Kindern. Allein der Sand gehörte so lange zur Ordnung, bis man begann, die Treppen von Stein, statt sie zu scheuern, mit Thon zu überstreichen und ihnen dadurch ein freundlicheres Ansehen zu gebem Verschwand aber der Sand auch aus den Zimmern, die Brettdielen blieben und es gehörte zum[8] Ruhm der Hausfrau, daß sie immer blendend weiß und fleckenlos aussahen, zur Qual der Kinder keine Flecken auf sie zu machen und zum Entsetzen des Hausherrn, daß sie so oft gescheuert wurden! Ja, man denke nicht, daß ein halbgroßes Zimmer etwa in einem halben Tag gereinigt war – das erforderte eine ganze Tagarbeit und mehr. Schon am Abend vorher wurden in der Regel die Fettslecken auf den Dielen mit Töpferthon mittelst eines Hölzchen eingestrichen – eine Hausarbeit für Kinder – ich habe sie sehr oft selbst verrichtet! Dann ward das ganze Zimmer ausgeräumt bis auf die schweren Möbels, die, wenn sie elegant waren, an die Füße gewissermaßen Strümpfe bekamen, damit sie nicht vom Wasser litten. Die Scheuerfrau mit drei Fässern erschien dann so bald es tagte, kniete auf einem Scheuerbret und verrichtete ihre Arbeit mit Scheuersand und Strohwisch und grauen Scheuertüchern, Diele für Diele. Hatte sie ihr Werk vollendet, was wie gesagt viele Stunden dauerte, ward Sand darüber gestreut und nachher wieder weggekehrt – aber trotz alles Lüftens blieb das Zimmer den ganzen Tag naß und mit jener Atmosphäre nassen Holzes angefüllt, die Zahnschmerzen und Gliederreißen aller Art erzeugte! – Kein Wunder, daß besonders den Männern solche Scheuertage ein Gräuel waren und daß sie darum gern hinter ihren Rücken angesetzt wurden, d.h. wenn sie verreisten oder außer dem Hause zu thun hatten. Aber nun der Schrecken, wenn sie früher wiederkamen als berechnet und als man fertig war – da gab es in den friedlichsten Familien Verstimmung und anzügliche Reden über den »Scheuerteufel« u.s.w., in andern kam es zu Donnerwettern, zu Streit und Zank! Ja, wer über viele Zimmer[9] zu verfügen hatte, da konnte man sich noch einrichten und flüchten – es war immer ungemüthlich, so oft aus der gewohnten Ordnung zu kommen, aber es war doch zu ertragen. Aber nun denke man, wer nur auf ein Zimmer angewiesen! Die Verlegenheit, wenn dann Besuch kam, die ganze üble Existenz, die Erkältungen! Und in Wohnzimmern wiederholte sich dieser Auftritt jede Woche – Freitag und Sonnabend waren die beliebten Scheuertage! Außerdem wurden die Zimmer täglich mit Sägespänen ausgekehrt, eine Procedur, die auch drei verschiedenartige Besen erforderte; um das Scheuern weiter hinauszurücken; rieb man auch zuweilen die Dielen mit Sand und Sägespänen auf – das geschah mit der bloßen Hand – Scheuerbürsten und dergleichen gab es nicht – ich habe es selbst zuweilen gethan, wenn es auch nicht von mir verlangt ward – aber ich that es in meiner Vögelstube, damit man nicht sagte, meine Lachtauben, mein Staar, Finke, Canarienvogel u.s.w. machten zu viel Arbeit für Andere im Hause.

Es dauerte lange, ehe man einzelne Zimmer zuerst im Winter mit wollenen Teppichen ausschlug, dann kam das Wachstuch dazu auf, später bohnte man die Dielen braun, dann lackirte man sie, bis man beim heutigen Parkett angelangt. Wie viel ist nur dadurch an täglicher Hausarbeit erspart, wie sind die Scheuertage zur lächerlichen Sage geworden!

Auch die großen Wäschen – die andern Schreckenszeiten der Männer – in den Familien, kommen nur noch in wenigen vor und wo man sie noch veranstaltet, da ist die Schreckenszeit durch die Wasch- und Wringmaschinen und durch die Fortschritte nicht allein der Industrie, sondern[10] auch der Humanität sehr abgekürzt. Die Waschfrauen der alten Zeit erschienen in der Regel schon früh um drei Uhr bei ihrer Arbeit, meist galt es erst aus selbstgesammelter Holzasche die Lauche zu bereiten, an deren Stelle wir uns jetzt der Soda bedienen und so standen sie dann bis zum späten Abend im zugigen dumpfen Waschhaus bei ihrer beschwerlichen Arbeit. Nachher ging es auf den Bleichplatz, wo sie in der Regel zwei Tage und eine Nacht zubrachten, letztere oft unter freiem Himmel auf nasser Wiese, dicht am Wasser und wenn die Wäsche gespült ward, so wateten sie oft stundenlang im Fluß, nachdem sie vorher den heißesten Brand der Mittagssonne ertragen. Auch auf den Bleichplan mit der Schwester zu gehen, den Waschfrauen ihr Vesper zu bringen und dann mit die Klammern beim Aufhängen zuzulangen, war mir ein Vergnügen. Und dann freute ich mich wieder darauf, wenn es später auf die Rolle ging und man mich auf das obere Brett derselben setzte und mich ein Bischen mit hin und herrollte. Aber dann fiel mir wieder in der Nollkammer die Folterkammer der Rittergeschichten ein, ich nahm die Rolle als Tortur und dachte mir, wie es sein müsse, wenn ich einmal unten auf dem Rollholz säße und die obere Walze ginge über mich selbst hinweg! Dann bekam ich Angst und lief fort und nahm lieber zuhause mein langweiliges Werk wieder auf, das beim Wäschelegen der Schwestern meinen Kinderhändchen zufiel: die schmalen Bänderchen breit zu glätten, die sich damals an den meisten Leinenzeug befanden – auch eine Qual bei dem Ordnen derselben.

Aber während die Wäschen doch noch in der Gegenwart, wenn auch in sehr veränderter Gestalt durch die[11] Waschmaschinen, in größeren Haushaltungen oft noch eine Rolle spielen, so ist von anderen Hausarbeiten, wie z.B. Licht- und Seifensieden und Brodbacken schon längst nicht mehr die Rede. Auf jenes kommen wir in einem spätern Abschnitt zurück – aber wenn wir heute alles Gebäck vom täglichen Brod bis zur feinsten Torte, vom Bäcker und Conditor fertig holen lassen, sogar ohne daß es erst einer besonderen Bestellung bedarf, so wollen wir einmal uns auch hier die ganze Umständlichkeit früherer Zeit zurückrufen.

Da ward denn aller acht oder vierzehn Tage ein großer Backtrog in die Koch-, hier und da wohl in die Wohnstube gestellt, die Hausfrau oder Magd, in späterer Zeit ein Bäckergesell, rührten und kneteten dort den Brodteig ein, mischten ihn mit dem Sauerteig und am andern Morgen wurden die Brode geformt und in den vorher geheizten Hausbackofen geschoben. Damit verband man denn auch gern noch eine Familienfestlichkeit und fügte zum Guten das Schöne, zum Nöthigen auch die Annehmlichkeit des Lebens, d.h. man buck von dem Brodteig, den man als übriggeblieben bezeichnete, noch Kuchen, belegte die dann aufgetriebenen Platten mit Obst, Speck oder Syrup – je nach Geschmack, wobei es denn natürlich an Butter nicht fehlen durfte – warm genossen schmeckte dieser bescheidne Kuchen den genügsamen Gaumen am besten. Es galt also ihn meist beim zweiten Familienfrühstück zu verzehren und es kam vor, daß Kinder darum die Schule versäumen durften, weil daheim Brodkuchen gebacken ward. Aber in manchen Gegenden – und ich glaube Sachsen hat sich darin immer ausgezeichnet – ward in den Familien zu allen nur möglichen Gelegenheiten[12] Kuchen gebacken, so zu den hohen Festen: Ostern und Pfingsten, zum Reformationsfest, zur Kirchweih, zu Fastnacht Plinsen und Pfannkuchen, zu Weihnacht Striezel oder Stollen. Bis in die neueste Zeit hinein hat sich noch in manchen Familien das Stollenbacken erhalten – aber nur in der Weise, daß die Ingredienzen dazu im Hause vorbereitet und dann, etwa unter der Aufsicht eines Familiengliedes, zum Bäcker geschickt werden – wie würden über diesen letzten Rest patriarchalischer Gewohnheit, der eigentlich mehr auch eine Ironie auf die der Vergangenheit, denn ein Nest von ihr ist, unsere Großmütter die Nase rümpfen! Dem Weihnachtsfest hätte sonst die fröhliche Vorweihe gefehlt, wenn nicht eines schönen Abends einige Tage vorher die ganze Familie, wenigstens alle Frauen und Kinder, von zwei stattlichen Talglichtern beleuchtet um einen großen Tisch gesessen, Rosinen gelesen, Mandeln abgezogen und gewiegt, Zucker und Zimmet gestoßen hätte. Und dann ward im Hause Alles abendlich zusammengewirkt, wie der Brodteig und ein »Hefenstückchen« gemacht, zur Probe ob die Hefe gut sei und dem Werk Gelingen verheiße.

Da existirte bei uns denn auch eine besondere »Kuchenstube« zur Aufbewahrung der Kuchenvorräthe – die Napfkuchen zum Kaffee, wie die dünnen Kuchen zum Vesper, standen da so einladend auf ihren Deckeln und Blechen – welch' ein Fest für uns Kinder zu den Feiertagen und welche Beruhigung für die Hausfrau, wenn sie auch über so viel Kuchenvorräthe verfügen konnte, wenn Besuch kam. Konnte man dies nicht, nun, so entschloß man sich eben kurz und gut und buck selbst auch zu Geburtstagen, Kuchen, Aschkuchen oder Torten –[13] denn alle diese Genüsse waren kaum in den großen Städten bei einzelnen »Schweizerbäckern« für Geld zu haben und dann meist auch nur auf Bestellung, in den kleinen Städten aber fast gar nicht. Man muß es sich vergegenwärtigen, daß früher, namentlich zu den Zeiten, wo der Zunftzwang noch in seiner vollen Glorie herrschte, jede Stadt nur eine bestimmte Zahl von Bäckern hatte und daß sie es sich so bequem machten nicht einmal täglich zu backen, sondern »das Weichbacken« ging reihum, so daß auf je tausend Einwohner immer nur ein Weich- und Weißbäcker kam – die Namen der Betreffenden wurden in den Lokalblättern bekannt gemacht und außerdem hatten sie zum Zeichen ein weißes Tuch auf ihren Bäckerladen hängen, waren aber verpflichtet, früh am Morgen einen Theil ihrer Waaren in die gemeinsame Verkaufsstelle, die am Markt befindlichen, sogenannten »Semmelbänke« zu schicken. Welche Unbequemlichkeit für das Publikum, welcher Zeitaufwand durch den Weg, der oft noch umsonst gemacht ward von Einem zum Andern, wenn es am Nachmittag war und wobei noch oft nur die schlechteste Waare zu haben, denn das Publikum war ja, da es keine Concurrenz gab, gezwungen auch diese zu kaufen.

Wenn dann auch die Hausfrauen Schwarz- und Weißbrod nicht mehr selbst bucken, so setzten sie eine Ehre darein, sich auf feines Gebäck zu verstehen und selbstgebackene Torten auch an Freunde und als besondere Aufmerksamkeit, wo man eine solche nöthig fand, zu verschenken. Meine Mutter besaß eine besondere Geschicklichkeit in dieser immerhin schwierigen Kunst, verstand sich sogar auf Zuckerguß und Ausputz derselben, wozu die in Zucker eigenhändig eingesetzten Früchte passend mit verwendet[14] wurden. Es lag in der That etwas Künstlerisches in diesen Ausschmückungen, es konnte sich in ihnen ungleich mehr Genialität offenbaren als in den schablonenmäßig nach Muster und Modezeitungen ausgeführten Stickereien, mit welchen sich heutzutage die Frauen und Töchter des Hauses beschäftigen, die vor Langeweile und weil ihnen eben die Industrie und der Fortschritt in Handel und Gewerbe eine häusliche Arbeit nach der andern abgenommen hat, nicht wissen was sie thun sollen.

Die Hausfrauen von einst waren auf sich selbst gestellt – sie mußten all das selbst thun, angeben, bedenken, was ihnen jetzt fertig geliefert wird, zu schwerer und zierlicher Arbeit zugleich geschickt sein, selbst sich keiner scheuen und jede anordnen und übersehen können, damit das Hauswesen gedieh und was der Mann verdiente von der Frau und ihrer Arbeit richtig verwendet und zum Theil erhalten wurde. Wohl war es da ziemlich, Respekt zu haben vor solch einer guten Wirthin, wohl mochte der Mann sich freuen, wenn er nicht nur für sein Herz, wenn er auch für seine Wirthschaft die passende Wahl getroffen und er hatte vollständig recht zu verlangen, daß die Gattin auch dieser sich in erster Linie widmete. Da war die Frau in der That eines der nützlichsten Mitglieder in der Gesellschaft, in der Volkswirthschaft – es war allerdings fast immer ein empirisches Wissen, was sie sich angeeignet durch Erfahrung, Beobachtung, durch eignes Nachdenken – Pflicht, Liebe und Ehrgefühl leiteten sie dabei – die gute Hausfrau und Wirthin war mit Recht als solche hoch geschätzt, die schlechte verachtet und verspottet.

Und so waren auch bei all diesen Arbeiten des Hauswesens[15] helfende weibliche Hände willkommen. Die Töchter gingen der Mutter von früh an helfend zur Hand, und waren auch damals die Schwiegermütter selten eine willkommene Zugabe, so mußte man doch gestehen, daß sie thatkräftig mit eingriffen und halfen in Wirthschaft und Haus, und die unvermählten Schwestern und Tanten machten sich nicht minder dabei nützlich, wenn es freilich auch vielleicht nicht immer ein beneidenswerthes Loos war, in einer fremden Wirthschaft nur mit zu helfen, anstatt eine eigene zu leiten. Aber oft schlang auch wieder die gemeinsame Arbeit, die Pflicht und Freude derselben, das Bewußtsein sich nützlich zu machen auf der einen und die Einsicht für die geleistete Hilfe dankbar sein zu müssen, auf der anderen Seite, ein Band des Segens und der Liebe um solche zusammenlebende Verwandte, das fest und unzertrennlich war.

So lebte man denn Jahr aus Jahr ein in der Arbeit und den Frieden der Häuslichkeit, wie einer anspruchslosen, ebenfalls meist an das Haus anknüpfenden Geselligkeit fort. Man hatte wohl auch Zeit zu Schlittenpartien und Bällen, man gab Gesellschaften und nahm Einladungen zu denen anderer Familien an, man huldigte den Dilettantismus in der Kunst, man ging ins Theater und betheiligte sich wohl selbst an Liebhabertheatern und Wohlthätigkeitsconzerten – man ging im Sommer in Gartenconzerte und machte gemeinschaftliche Spaziergänge und Landpartieen zu Fuß – wobei man sich oft mit »Semmelmilch« oder neuen Kartoffeln und Wein begnügte – aber es jagte nie ein Vergnügen das andere, man genoß sie in Zwischenräumen, denn man fühlte sich doch verpflichtet bei so viel häuslicher Arbeit, mehr im Hause[16] zu leben, als außerhalb desselben, die Freuden des Familienlebens wurden weder von Männern noch Frauen gering geachtet. Jene fühlten sich am Abend daheim wohler als im Wirthshaus, der Restauration, den Klubb – diesen wäre es nie eingefallen, wie jetzt leider immer mehr geschieht, den Gemahl in die Restauration zu begleiten, sie hatten die Ueberzengung, daß sie damit nicht allein ihre Hausfrauenwürde, sondern überhaupt einen Theil ihrer weiblichen Würde aufgeben müßten – die Abende im Familienkreis waren für Eltern und Kinder doch immer die traulichsten und gemüthlichsten.

Dabei verliefen denn die Winter nie so aufregend und nervenabnutzend, mit so viel durchschwärmten Nächten und raffinirten Genüssen, daß es dann im Sommer nöthig geworden wäre, sich davon in einem Bade, auf Reisen und in Sommerfrischen zu erholen – man fragte einander nicht: »wo werden sie diesen Sommer hingehen?« wie es heutzutage geschieht, wo es gleich angenommen wird, daß Niemand in seinem Daheim bleibt, sondern irgend wo anders wieder neues Vergnügen, neue Zerstreuung sucht – sondern man war glücklich, wenn man einen Garten am Hause hatte oder eine bescheidne, stille Sommerwohnung, ein Lusthäuschen in nächster Nähe. – In Bäder reisten nur die wirklich Kranken und von diesen auch nur die wohlhabenden und reichen – denn wenn auch die Preise des dortigen Aufenthaltes in keinem Verhältniß standen zu den gesteigerten der Jetztzeit, so war doch die Reise selbst zu theuer und man fühlte sich eben zu sehr an das eigne Haus gefesselt.

Wie hätte sonst je eine Gattin den Gatten, eine Hausfrau ihr Hauswesen, eine Mutter ihre Kinder verlassen[17] mögen, ohne die allerdringendste Nothwendigkeit? Wo fand sich eine Stellvertreterin, die gleich einer so vielseitigen Wirksamkeit gewachsen war, der es die Hausfrau anvertrauen konnte, eine Wirthschaft zu führen, in der es ja nicht nur galt, für die täglichen Mahlzeiten zu sorgen, sondern wo es im Sommer wieder noch ganz besondere Obliegenheiten gab: Feldzüge gegen allerlei Ungeziefer, Wäsche bleichen, Betten sonnen und alle die schon erwähnten Vorkehrungen für den Winter, das Aufbewahren von Früchten und Gemüsen?

Doch dem Reisen wollen wir, wie dem Licht, besondere Abschnitte unserer Jugenderinnerungen widmen, sie mögen das ergänzen, was wir hier angedeutet.[18]

Quelle:
Louise Otto: Frauenleben im Deutschen Reich: Erinnerungen aus der Vergangenheit mit Hinweis auf Gegenwart und Zukunft, Leipzig 1876, S. 1-19.
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