62. Ein Weib / welches genöthigt wurde / vor ihren Mann sich zu demütigen.

[127] Kein Thier ist schwerer zu zähmen / als eine herrische hochmütige / stoltze Frau: Ihr Geist / wie die Italiäner sagen / kennet sich selbst nicht. Es ist nicht nöthig /den Ort zu verschweigen /[127] wo diese Geschicht sich begeben / weilen die Autores denselben entdecket.

Ein Kauffman zu Amsterdam hatte eine wunderliche Frau geheyrathet / die war geschickt zu regieren /und nicht zu gehorchen: Sie machte ihrem Mann viel Beschwehrnüs / darunter die letzte war / welche sie klug und tugendhaffter machte. Sie fiel Abends einsmahls mit ihm in einen Streit / darüber sie so sehr sich erzürnte / dann sie war ihres Zorns leibeigen /daß sie mit aller Macht aus wolte gehen. Der Mann wolte nicht / daß sie umb gesagte Stund in eine Gefahr käme in einem Canal / zog den Haus-Schlüssel ab / aber sie war so grimmig / daß sie ein Fenster aufmachte / sprang auf die Gasse / und kam zu ihren Eltern / da sie ihren armen Mann mit allen Farben recht abgemahlet. Den andern / und folgende Tage sahe der Vatter und Aydam einander auf der Börse / aber der eine sagte nichts von seiner Tochter / der ander nichts von seiner Frau. Endlich verdrosse dem Vatter diß Hauß-Wesen länger also[128] zu sehen / er kunte auch keine solche Scheidung gedulten / sondern fragte ihn /ob er seine Frau nicht wieder zu haben verlangte: Mein Vatter / antwortete der Aidam / ich weiß nicht /wo sie hin ist: Sie ist wider meinen Willen aus dem Hause gegangen / und hat mir noch nicht wissen lassen / wo sie hin ist. Der Vatter antwortete: Sie ist bey mir / und ist nicht aus meinem Hause kommen / seiter sie aus eurem ist. Ich bitte euch / besuchet sie / sie wird alles thun / was ihr haben wollet. Nein / nein /sagte der Aidam / weil sie den Fehler begangen hat /so stehets auch ihr zu denselben zu ändern. Sie solle zu eben dem Fenster wieder hinein gehen / durch welches sie heraus ist kommen / anderst nimm ich sie nicht wieder an. Der Vatter unterliese nicht nach seiner Wiederkunfft der Tochter vorzusagen / was ihre Schuldigkeit ausweise / und ihr rund heraus zu sagen / daß sie sich wieder zu ihrem Mann verfügen müsse. Nach vielen hin und wieder gehen endlich (dann das Weib hatte ihr eingebildet /[129] ihr Mann würde noch frohe seyn / wann Er sie würde bitten dörffen / und bereuete ihren begangenen Fehler /) erbote sie sich wieder zu ihm zu kommen / aber durch die Thür / und im Friede zu leben. Der Mann aber wolte keine andere Condition eingehen / dermassen / daß sie / weil ihr nach der vornehmsten Fahrnus im Hause weh war /sich mit etwas Unmuth von ihren Eltern begleiten liesse. Und weil sie das Fenster offen fande / nahme sie wieder den Besitz ein / der ihr gebührte / mit guter Zufriedenheit des Vatters / und der Mutter / und noch vielmehr der beden Theil / die ihren Gebühr wieder verrichteten.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 127-130.
Lizenz:
Kategorien: