Von Schimpff das 41.

[31] Ein Narr schmecht ein mit der Nasen.


Es ist in Franckreich geschehen, da was ein Apt, ein groser Her, der het ein Narren. Das was gar ein früntlicher Nar, der niemans betrübet, weder mit Worten noch mit Wercken, wie zornig man in macht. Nun fügt es sich uff ein Zeit, das der Apt, der Her ein frembden Erenman geladen het, der het gar ein fast grose Nassen, als es etwan kumpt, das einer ein Gebresten an der Nassen hat. Da man nun also zů dem Tisch saß und wolt anfahen essen, da sahe in der Nar stetz an und verwundert sich ab der grosen Nassen. Und so er in lang angesicht, da lag er für denselbigen Herren mit der grosen Nassen mit den Ellenbagen uff den Tisch, und sprach zů demselbigen Herren: ›Wie hastu so eine grose Nassen, wie kumpt es?‹

Ach lieber Got, der gůt Man schampt sich und ward fast rot. Der Her sprach zů den Knechten: ›Treiben den Narren hinuß!‹ Die Knecht schlůgen den Narren zů dem Sal hinuß und sprachen: ›Nar, das du die Trüß müsest haben!‹ Der Nar gedacht: ›Du hast es warlich verderbt, du můst es widerumb gůt machen‹. Da nun der Nar meint, es wer vergessen, da gieng er widerumb in den Sal und nam sich nichtz an und gieng um den Tisch herumb trossen, und hindennach legt er sich aber uff den Tisch und sprach: ›O wie ein kleins Neßlin hastu!‹ Da ward der Gast noch me geschent; man treib den Narren aber zů dem Sal hinuß. Nach langem kam der Nar widerumb wie vor und sprach zů im: ›Got geb, du habest ein Naß oder nit, was wil ich deiner Nassen!‹ Da het er es erst gantz verderbt.

Also geschicht allen Schmeichlern und Kutzenstreichern, wie dem Narren ist geschehen, die ein etwan loben und erheben, und meinen sie, sein Liebe zů haben und Gunst, und je me sie in loben, je feinder er inen würt; wan sie lieben sich wie ein Hund, der Heffen bricht.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 31-32.
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