Von Schimpff das 251.

[159] Ein Tracht kostet dausent Guldin.


Es kam ein Künigin, das was ein Witwin, gen Rom uß Egiptenland, Rom zů besehen, die hieß Cleopatras, und ein groser Römer mit Namen Anthonius. Und sobald sie zůsamenkamen, Cleopatra und Anthonius, da warden sie der Sach eins; da wolt Anthonius der Künigin ein Eer anthůn und rüstet ein köstlich Mal zů und lůd andere Erenlüt darzů. Und da man nun zů Tisch saß, da trůg man köstliche Trachten herzů. Da gedacht Cleopatras: ›Das ist einem Burger zů vil; einem Künig gehören semliche Mal zů zů geben.‹ Da man nun gessen het, da danckt die Künigin Cleopatras[159] dem Römer Anthonio und sprach: ›Her, wir haben kostlich gelebt, es ist aber noch nichtz, als ich euch Trachten wil fürsetzen; ein Tracht die můß dusent Duckaten wert sein.‹ Der Römer sprach: ›Das ließ ich zweidausent Duckaten gelten, wa ir mir ein Trachten fürsetzen, die dusent Duckaten wert sei.‹ Die Künigin sprach: ›Her, es gelt‹, und schlůgen es einander dar, und sprach sie: ›Wer sol aber darüber erkennen und das Urteil sprechen?‹ Der Her sprach: ›Nemen da ein alten Ritter, der erfaren ist!‹ Es ward einer erwölt.

Da nun der Tag kam und man zů Tisch saß, und der Urteilsprecher mit den andern Herren auch da saß, da trůg man kostliche Trachten heryn, etwan eine für 40 oder 50 Guldin, vil einander nach. Anthonius gedacht: ›Die Künigin würt es verlieren, sie mag es nit gewinnen.‹ Da man schier gessen het, da nam sie ein silberin Schal, und gab es einer Junckfrawen und hieß ir Essich bringen und thet ein wenig in ein ander Schal, und greiff an die recht Seit ires Hauptz und nam von dem Krantz ein groß Berlin und legt es in den Essich. Da zergieng es, und ward ein Teiglin oder ein Müßlin daruß, das supfft sie yn. (Berlin zergon in Essich, und Korallen zergon in Surauch, Erbselensafft, als man sagt.) Darnach greiff Cleopatras die Künigin zů dem Haupt uff die ander Seiten, da was auch an dem Krantz ein semlich groß Berlin, das wolt sie auch gessen haben. Da greiff ir der alt Ritter zů der Hand und wolt es nit lassen geschehen und sprach zu ir: ›Gnedige Frau, ir haben es gewunen; das Berlin ist besser dan dusent Duckaten.‹

Da merck: Der Minder weich dem Merern. Also sůchen wir auch nach Eer und Lob in villerlei Speisen und kostlichen Trachten, das doch nit jederman zůgehört. Wan der gemein Man Gest hat und einer Trachten me hat, dan so er allein ist, so ist es gnůg. Die grosen Herren müsen es thůn. Solten sie leben wie der arm Man, so würden sie veracht. Kostliche Trachten haben und schleckerhaftige Speiß, wan das Sünd sei oder nit, da wer anzůsehen die Person, die Meinung, die Zeit und die Gewonheit desselbigen Lands.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 159-160.
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