Von Schimpff das 449.

[264] Ein Ritter zürnet über ein Predicanten.


Es was ein Riter, der was gar barmhertzig gegen den armen Lüten. Wan er essen wolt, so reit er vor uff die Strassen, wan sein Schloß was fer von der Landstrassen, und sůcht die armen Lüt. Und wan er arme Lüt fand, die mit im asen, so was er den gantzen Tag frölich; wan er aber niemans fand, so was er trurig. Und er was aber darneben ein Eebrecher, er nam es, wa es im ward. Und het ein frume Frawen, die was fast geistlich, die bat des Herren Beichtvatter, er solt einmal den Eebruch dapfferlich rüren und darwider predigen, ob ir Her sich bekeren wolt. Nun was der Beichtvatter ein Barfůsser, und uff einmal da predigt er von der[264] Schwere des Eebruchs. Da ward der Ritter zornig über in und verbot seinem Gesünd, das in nieman laden solt. Der Beichtvatter marckt es wol und gieng zů dem Schloß uß, da man ob dem Tisch saß, und er lütet wider an. Und der Portner sagt dem Herren, es wer ein armer Man da, und der Her hieß in ynlassen. Da der Beichtvatter zů dem Tisch kam, da gieng er zů dem Tisch, da die armen Lüt sasen. Also sprach der Her sein Schuld gegen im und bessert sich und ward ein Kind der ewgen Selikeit.

Dis Exempel dient zů zweien Dingen. Zů dem ersten, das die barmhertzigen Menschen selten verdamt werden, wan sie in Dotsünden sein. Und sagen etlich Doctores, das inen Got ir Hertz erlücht zů einer rüwigen Stat; es sol aber daruff nieman Unrecht thůn, wan er der Gnaden sunst beraubt würt. Zů dem andern dient es, das man die Predicanten der Warheit hasst und inen feint ist. Es ist umb die Predicanten wie umb ein Koch.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 264-265.
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