Von Schimpff das 646.

[358] Zwölf Blinden verzarten zwölf Guldin.


Es kamen uf einmal 12 Blinden mit einander von Nürenberg, wan uff der heiligen drei Künig Tag gibt man den Blinden daselbst Gelt. Da begegnet inen ein Ritter, der wolt gen Nürenberg reiten, und sprach zů inen: ›Lieben Brüder, ir Blinden, wa kumen ir her in dem wüsten Wetter?‹ Die Blinden sprachen: ›Ach lieber Juncker, oder wer ir sein, wir hören wol, das ir reiten. Wir kumen von Nürenberg und hetten gemeint, man het unß anders gehalten, dan man gethon hat. Und ist arm Wetter, es schnüt und weiet der Wind und ist kalt darzů, und künnen wir arme Lüt nienen kumen.‹ Der Ritter sprach: ›Gon da in das nechst Dorff, es ist nit fer dar, und fragen zů dem Hasen und nemen die 12 Guldin und verzeren es daselbsten! Dieweil so würd es gůt wandlen. Und bitten Got auch für mich!‹

Die Blinden danckten im fast und waren fro und kamen zů dem Wirt und sagten im, einer het inen zwölff Guldin geben. Der Wirt rüst zů und gab inen zů essen, und lebten wol etliche Tag. Und der Wirt sprach darnach: ›Wolan, lieben Brüder, wir wöllen einmal rechnen.‹ Die Blinden sprachen Ja. Der Wirt rechnet inen so vil Mal und so vil Schlafftrünck, das die zwölff Guldin waren uffgangen. Da sprach der Wirt: ›Welcher die zwölff Guldin hat, der geb sie heruß.‹ Es sprach jeglicher, er het sie nit, und het sie iren keiner. Der Wirt was zornig und sprach: ›Das wer recht, das ir mich also umb das Mein wolten bescheissen. Ir Schelck, ir müssen es an euwerm Leib erdarben.‹ Und schloß[358] die armen Blinden in ein Genßstal und gab inen nichtz dan Brot zů essen, und dannocht nit gnůg.

Der Ritter gedacht, der sie in die Not bracht het: ›Du můst ye lůgen, wie es den Blinden gang‹, und reit hinden zů dem Wirtzhuß yn und hort die zwölff Blinden in dem Genßstal. Er sprach zů dem Wirt: ›Was Lebens ist das?‹ Der Wirt sagt es im. Er sprach: ›Lieber Wirt, nemen ir nit ein Bürgen an und liessen die armen Lüt lauffen?‹ Der Wirt sprach: ›Ja, es möcht also sein, ich nem in an.‹

Der Ritter gieng zů irem Kirchherren. Nun lag die Pfar fer von dem Dorff, und der Priester kunt die beseßnen Lüt beschweren, und sprach zů im: ›Lieber Her, mein Wirt zů dem Hasen ist hinnacht von Sinnen kumen, man meint, er sei besessen. Und laßt euch sein Frau bitten, ir wöllen in ledig machen; des wil sie euch wol lonen.‹ Der Priester sprach: ›Ich kan noch in 14 Tagen nichtz darzů thůn; man můß ein Weil warten.‹ Er gieng zů dem Wirt und sagt es im: ›Der Pfarrer ist Bürg für die zwölff Guldin worden, er wil es in 14 Tagen ußrichten. Lassen die Frau mit mir hinuffgon zů im! Er wil es auch vor ir versprechen.‹ Der Wirt sprach zů seiner Frawen: ›Gang und lůg, ob es also sei!‹ Da sie zů dem Pfarrer kamen, da sprach der Ritter: ›Lieber Her, sagen der Frawen, wie ir mir gesagt haben!‹ Er sprach: ›Ja, ir müssen ein Weil warten, in 14 Tagen wil ich der Sach ein Ußtrag geben.‹ Die Frau sagt es dem Man, und der Wirt ließ die Blinden gon, und der Abenthürer reit auch hinweg.

Und da die 14 Tag herumbkamen, da schickt der Wirt die Frawen zů dem Herren umb die 12 Guldin. Der Priester sprach: ›Ich bin üch nichtz schuldig; ich weiß nichtz von zwölff Guldin zů sagen. Man hat mich gebetten, ich söl euwern Man beschweren, er sei besessen.‹ Sie sprach: ›Mein Man ist gesunt, ir müssen im die zwölff Guldin geben.‹ Die Frau sagt dem Man die Antwurt.

Der Wirt ward zornig, und nam sein Knecht mit im, nam jeglicher ein Hellenbart uff sein Achsel. Der Her stůnd under der Thür und rüfft seinen Nachburen auch zů im mit Hellenbarten und sprach: ›Sehen, lieben Fründ, wan sie vol Tüfel sein, so wellen sie Gelt von den Leuten haben.‹ Also hiesch der Würt 12 Guldin, so wolt der Her in als beschweren, wer es Not. Also hangt die Sach noch an dem Rechten.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 358-359.
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