27. Agathokles an Calpurnien.

[54] Nisibis, im Oct. 301.


Dein Brief, meine edle Freundin! hat mir ein wahrhaft großes und ein dreifaches Vergnügen gemacht. Er hat mich wieder in die schöne Zeit zurückgezaubert, wo ich in Rom in deines Vaters Hause mit dir und den Deinigen so angenehme Tage verlebte, deren größter Reiz in deinem heitern geistvollen Umgang bestand. Er hat mir Nachricht von lieben Entfernten gegeben, deren Andenken mir unvergeßlich bleiben wird; und endlich hat er mir das erhebende Gefühl gewährt, mich von einer edlen Seele mit Achtung und Zutrauen behandelt zu sehen.[54] Innig danke ich dir für jede dieser angenehmen Empfindungen, vorzüglich aber für die letzte, die zu verdienen und zu rechtfertigen mein thätigstes Bestreben seyn soll.

Du weißt, meine Freundin! du wiederholst es sogar in deinem Briefe, daß die Verbindung zwischen Sulpicien und dem Prinzen mir nie, weder vernünftig, noch rechtmäßig schien. Indessen, so dachte ich mir den Ausgang nicht, obwohl ich Tiridates ziemlich genau zu kennen glaubte. Seit wir in Asien sind, haben wir uns beinahe nicht mehr gesehen, die Reise und ein paar Tage nach unserer Ankunft in Nikomedien ausgenommen. Wir schreiben uns zuweilen, aber meistens nur über Angelegenheiten des Kriegs, oder andere Geschäfte. Ich weiß also nichts Bestimmtes über seine Lebensweise und seinen Umgang. Gerüchte, Sagen laufen freilich hin und her, über auf sie kann ich kein Urtheil bauen. Auch würdest du, meine Freundin! nicht mit dem zufrieden seyn, was ich dir vom Hörensagen berichten könnte. Sey aber versichert, daß ich Alles thun werde, was in meiner Macht steht, um hierüber Gewißheit zu erlangen, und daß ich dann so handeln werde, wie es mein bester Wille, die Umstände, dein edles Zutrauen und Sulpiciens Lage nur immer von mir fordern können.

Uebrigens bitte ich dich zu bedenken, daß Tiridates sich durch Geburt, Schicksal und persönliche Annehmlichkeiten genug auszeichnet, um von der müßigen Menge bemerkt, besprochen, beneidet, getadelt zu werden; wie auch, daß ein liebenswürdiger Prinz an einem üppigen Hofe manchen Versuchungen und Fallstricken ausgesetzt seyn muß. Vieles, was geschehen konnte, wird dann als[55] gethan vorausgesetzt, und erzählt; Vieles, was verworfenen Menschen wahrscheinlich ist, von ihnen als wahr verkündet, und die Welt urtheilt schnell, leichtsinnig und lieblos. Schon, daß er immer in Nikomedien seyn soll, ist Verläumdung. Er befindet sich größtentheils bei dem Heere des Cäsar Galerius, wo er sich durch persönliche Tapferkeit und Feldherrn-Talente gleich rühmlich auszeichnet.

Glaube nicht, daß ich Tiridates hierdurch entschuldigen will. Ich weiß nichts, und kann also nichts, weder für noch wider ihn, behaupten; bis ich aber etwas mit Gewißheit erfahre, könnten diese Betrachtungen vielleicht beitragen, Sulpicien zu beruhigen, und zu verhüten, daß diese unglückliche Frau sich nicht vergeblich in Gram verzehre. Wenn sie wissen darf, daß du mir geschrieben hast, so sage ihr, daß mein Herz innig mit ihr fühlt, sie tief betrauert, und, selbst unglücklich, ihr Leiden wohl zu begreifen, und zu theilen versteht. Marcus Alpinus ist mir übrigens aus früheren Zeiten als ein Mann bekannt, der mit einem durchdringenden Verstande, durch den Umgang der großen verderbten Welt, durch Wollüste aller Art und eine herzlose Kälte endlich dahin gekommen ist, an keine Tugend mehr zu glauben, und nichts für würdig und schätzbar zu halten, als was unsere Sinne auf irgend eine Art in angenehme Bewegung zu setzen vermag. Sein Urtheil wird immer richtig seyn, denn er ist sehr verständig; seine Ansichten aber sind es gewiß selten.

Noch habe ich einen Punkt zu berühren, den ich, so ungerne ich über dergleichen Dinge spreche, unmöglich übergehen kann. Du scheinst, meine edle Freundin! von[56] meinem Schicksale unterrichtet zu seyn; aber ich fürchte, es war nieder nur der Ruf, oder etwas dem ähnliches, der dir nicht ganz getreu berichtet hat. Ja, ich habe Larissen, die Freundin, die Geliebte meiner Jugend gefunden. Ein seltsames Verhängniß hat sie als die Gemahlin meines Feldherrn mir wieder gezeigt. Es würde thöricht seyn, und deines Verstandes spotten heissen, wenn ich behaupten wollte, sie sey mir gleichgültig. Nein, Calpurnia ich liebe sie noch, wie ich sie in meiner ersten Jugend liebte. Aber diese Neigung ist nicht, wie bei Sulpicien und Tiridates, hoffnungsvoll und gegenseitig. Larissa behandelt den Freund ihrer Jugend, der ihr Zutrauen nicht verwirkt hat, mit Achtung und Freundschaft; aber Larissa und Demetrius sind Christen, ihre Religion weiht die Ehe zu einem unauflöslichen Bande, das nichts als der Tod trennen kann. Du siehst also, daß ich keine Hoffnung nähren darf. Bedaure mich, meine Freundin! aber spotte meiner nicht. Nur der Glückliche kann dies ertragen.

Deinen nächsten Brief, wenn du mir die Freude gönnen willst, mich etwas von dir, den Deinigen und unserer unglücklichen Freundin wissen zu lassen, sende nach Nikomedien an meinen Vater. Er weiß immer am ersten und zuverläßigsten, wo ich mich befinde. Vielleicht bin ich sogar bis dahin selbst dort. Der heiße Wunsch, einem Verhältnisse zu entfliehen, das sich weder mit meiner Ruhe, noch meiner Ueberzeugung verträgt, und die Nothwendigkeit, selbst mit Tiridates zu sprechen, wird mich ohne Zweifel bald dahin rufen.

Nimm noch einmal den wärmsten Dank für dein Vertrauen, und die Versicherung, und die Versicherung, daß an jedem Orte, und[57] in allen Verhältnissen Nachrichten von dir und den Deinigen meinem Herzen eine höchst willkommene Erscheinung seyn werden.

Quelle:
Caroline Pichler: Agathokles. Erstes bis Sechstes Bändchen, Schriften, Band 32, Stuttgart 1828, S. 54-58.
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