Auf des woledlen vnd vesten herrn Jacob Schachmanns auf Brunaw vnd Bolschaw erbgesessen/ tödlichen abgang:

[107] Stroph. 1.


Wie ein schiff auf meeres wogen/

Wenn die wind' auß norden wehn/

Wenn die wellen höher gehn/

Als zuvor die segel flogen/

Wenn das wasser schäumt und braust/

Wenn der mastbawm knackt und saust

Wenn man glas vnd ruder misset/

Wenn man den compas vergisset/

Wenn der schiffer beten heisst/

Wenn man betend zeter-schreyet

Wenn das schiff mit sincken dräwet

Wenn die fluth den mast befleust:


Antistroph. 1.


Also ist dies schwache leben/

Da sich mancher allzuvest

In der schwacheit auf verlässt.

Eh man oft mit blindem glücke

Auf eim brete daumen dicke

Den gewünschten orth erreicht.

Die im wilden meere schweben/

Trawen durch die wilde fluth

Forch zu bringen gut vnd bluth/

All' jhr förchten/ all jhr bangen

Vnd verlangen ist vergangen/

Wenn der port die segel streicht.


Epodos. 1.


O wol dem/ welcher auch auf diesem sünden-meere

Die klippen böser lust verhütet/ vnd nicht achtt/

Schlägt allen sturm in wind/ vnd dürstet nach der ehre/

Die dem dort wiederfährt/ der hie den port betracht/

Den vielgesuchten port/ den ort der sicherheit.

Er schläfet oder wacht/

Wallt doch sein hertz' vnd lacht/

Achtt weder ort noch zeit/

Da er noch innen ist/

Dieweil er gantz vergisst

Sein nicht-lang-wierig leid/

Welchs jhm der port benimmt/ der ort der seeligkeit.


Stroph. 2.


Wie nun einem dan verlanget/

Nach der winde sturm vnd wehn/

Wieder drucken land zu sehn/

Vor nichts grawet/ vor nichts banget/

Andre mögen schlafen gehn/

Ihn gelüstet zu zusehn.

Wie der wind die segel treibet/

Wo des schiffes spure bleibet/

Andre dencken/ nach der ruh/

Was sie wol im sturm vergessen/

Ihm schmeckt weder tranck noch essen

Er wil nach dem lande zu:


[108] Antistrophe 2:


So war dieser edlen seelen

Fleisches lust nur seelen last/

Seelen lust war jhre mast

Eh sie aus der finstern höhlen

Ihres leibes/ durch den tod/

Wurd' entzücket aller noth.

Alle leibes-last ist nichtig/

Alle leibes-lust ist flüchtig/

Sprach herr Schachmann/ diese zeit/

Die ich hab' allhie zu kämpffen/

Soll mir meine lust nicht dämpffen

Zu der süssen ewigkeit.


Epodos 2:


Nu/ was er hat begehrt/ das hat jhm Gott bescheret/

Sein leiden ist dahin/ sein wvnsch ist nu gestillt/

Gott hat jhn seiner bitt'/ vnd noch viel mehr gewähret:

Sein förchten ist nu trost/ sein hoffen ist erfüllt:

Sein tod ist nu sein schlaff/ sein sterben sein gewinn:

Vnd weil er hat gewust

Die sterbe-konst vnd-lust/

Als ist er ohne tod

Gedrungen durch die noth/

In fried' vnd frewden hin/

Wo nichts als leben ist/ nun vnd von anbeginn.

Quelle:
Deutsche Literatur, Reihe Barock, Erg.-Bd., Leipzig 1939, S. 107-109.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Liebelei. Schauspiel in drei Akten

Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.

50 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon