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[120] Gebiethe, theurer Mann, gebiete doch auch nun
Durch deines Armes Winck den aufgebrachten Sayten
Nur einen Augenblick zu ruhn;
Bestill ihr freudenvolles Streiten.
Laß zu, daß jetzt bey deiner Lust
Auch meine Mus aus treuer Brust
Allein vor deinen Augen singe:
Zieh deinen aufgeklärten Blick
Nebst deinem Fräulein nicht zurück,
Damit dis Lied nicht mißgelinge.
Weil deine Fräulein uns dein Bildniß völlig zeigt,
Flicht meine Clio ihr die Lorbern um die Haare,
So Phöbus um die Schläffe beugt,
Daß er der Tugend Lob bewahre.
Die edle Chloris selbst erscheint
Mit ihren Freundinnen vereint,
Der hohe Bau der schönen Glieder
Ist recht ein Kunststück der Natur;
Und ihres hohen Geistes Spur
Erscheint in ihrem Antlitz wieder.
Sie gleicht der Cyntie, wenn sie nun einem Ast
Den Köcher anvertraut, der auf den Schultern klinget,
Und sich das Chor der Nymphen angefaßt,
Worinn sie selbst sich tantzend schwinget:
Sie trägt ihr freyes Haupt erhöht,
Das über alle andre geht,[120]
Und sich gekrönt mit Strahlen zeiget.
Latona sieht mit stiller Brust
Der Tochter Schönheit voller Lust,
Und freut sich, weil sie immer steiget.
Doch, ihre Schönheit ist nicht ihre gröste Zier,
Ihr tugendhafter Geist kan sie weit mehr erheben:
Und wer sie sieht, bewundert denn an ihr
Und muß ihr dieses Zeugniß geben:
Ihr Sinn ist hoch, stets einerley,
Doch gantz vom blinden Hochmuth frey
Vollkommen edel sind die Sitten,
Es thronet selbst die Frömmigkeit
In unverstelter Heiligkeit
In ihres reinen Hertzens Mitten.
Den angebohrnen Witz und herrlichen Verstand
Pflegt sie mit klugem Fleiß durch lesen zu erbauen:
Wie oftmals läßt die wohlbemühte Hand
Ein Buch gleich ihrem Vater schauen,
Und wer giebt ihrer Nadel Fleiß
Nicht der Minerva würdgen Preiß;
Ja wenn sie die geschwinden Finger
Durch die geschlagnen Claves führt,
Wird jedes Hörers Hertz gerührt,
Und auch ihr Ruhm denn nicht geringer.
Dis, theurer Krosigk, ist der schönen Tochter Bild,
Und gleicht es ihr nicht recht, so schau selbst auf ihr Wesen,
So kanst du, gantz mit Lust erfüllt,
Selbst deine Tugend in ihr lesen.
Du aber nimm dis gnädig hin,
Denn mir verbeut ihr stiller Sinn
Ihr selber dieses Lob zu geben.
Was ist, das ich noch wünschen kan?
Nichts als von dir, du theurer Mann,
Mir Gnade, Ihr ein langes Leben.
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