Neunzehnter Auftritt


[458] Verwandlung.

Königliches Gemach. Der Hintergrund hat einen großen offnen Bogen, hinter ihm hängt, eine Kulisse weit entfernt, eine Hinterwand Mit dunklen Wolken, durch welche man wie im Nebel eine riesige, bronzeartige geflügelte Furiengestalt, mit leuchtenden Augen, lauernd ruhen sieht. Das[458] Ganze ist auf die Rückwand gemalt und durch bläulichten Schein magisch erleuchtet. Larven grinzen hie und da aus den sie umgebenden Wolken hervor. Zwischen dieser Wand und der Öffnung des Bogens sieht man vier dunkle Schatten bei einem offnen Grabe (große Versenkung) beschäftigt, aus welchem ein erst darein versenkter vergoldeter Sarg noch etwas hervorsteht. Das Ganze bildet ein imposantes Tableau. Das Gemach ist dunkel. Der Donner rollt.

In einem goldnen Armstuhl ruht Heraklius, um ihn trauernd die Grossen Des Reiches und Diener Des Tempels. Neben ihm auf einem Marmortisch die Krone. An der Kulisse dem Armstuhl des Königs gegenüber ein auf drei Stufen erhabener einfacher Sitz. Ewald. Harmodius.


Kurzer Chor der Furien.


Wo der Frevler mag auch weilen,

Trifft ihn doch des Orkus Rache,

Und ihr Dolch wird ihn ereilen

Selbst im goldnen Prunkgemache.

HERAKLIUS in matter Unruhe.

Hinweg, hinweg, du scheußlicher Vampir,

Der frommes Hoffen aus der Seele saugt!

HARMODIUS zu Ewald.

Du siehst des guten Königs Leiden hier,

Ein Bild, das nicht für menschlich Auge taugt.

HERAKLIUS.

Wer störet meine Pein?

HARMODIUS.

Dein Retter, Herr!

HERAKLIUS.

Umsonst, umsonst, wer bringt die Höll zum weichen?

O Qual! Wenn ich doch nicht geboren wär!

EWALD.

Ich kann, mein Fürst, den Anblick dir verscheuchen.

HERAKLIUS.

Wenn dus vermagst, ein Fürstentum zum Lohne.

EWALD.

So hoch schwebt auch der Preis, den ich bestimm.

Ich fordre viel – Ich fordre deine Krone.[459]

HERAKLIUS.

Sie war mein Stolz! – vorbei –! verscheuch –! nimm! nimm!

EWALD zu den Edlen.

Ihr habts gehört, seid ihr damit zufrieden?

ALLE dumpf und halblaut.

Wenn dich der König wählt, wählt dich das Reich.

EWALD.

So will ich über dieses Schauertum gebieten.

Bei Isis Donner, Truggewölk, entfleuch!


Donnerschlag. Er schwingt die Fackel. Die Hinterwand entweicht. Grab und Schatten verschwinden. Ein tiefes Wolkentheater zeigt sich. Es stellt ein praktikables Wolkengebirge vor. Oben quer vor der Hinterkurtine eine goldne Mauer und ein goldnes Tor. Hinter diesem strahlet, auf der Kurtine gemalt, heller Sonnenglanz, der sich im Blau des Himmels verliert, das mit transparenten Sternen besäet ist. Am Fuße dieses Gebirges beim Aufgange sitzt auf einem Piedestal Thanatos wie in der früheren Szene, doch mit der brennenden Fackel. Sphärenmusik ertönt. Heraklius' Gestalt wird von Genien mit Rosenketten über den Wolkenberg geleitet, bis zu dem goldnen Tor. Dort sinkt sie nieder. Die Musik währt sehr leise fort.


HERAKLIUS.

O süßer Seelentrank aus himmlischem Gefäß!

O Lust, gefühlt durch neu erschaffnen Sinn!

Wenn ich auch tausend Kronen noch besaß,

Ich gab sie gern für diesen Anblick hin.

Oh, krönt ihn noch an meinem Sterbebette.

Er wird mein fluchzerrüttet Land beglücken.


Nun öffnet sich das goldne Tor, eine glänzende Göttergestalt tritt heraus.


Mir ist so leicht, es schmilzt die irdsche Kette,

Mein Geist entflieht, o un – nennbar – Entzücken!


Thanatos stürzt mildlächelnd die Fackel um, die verlischt, zugleich drückt die Göttergestalt den König feierlich an die Brust. Sein Kleid verschwindet, und er steht im weißen Schleiergewande dar, welches rosig bestrahlt wird. Genien bilden eine Gruppe.

Heraklius' Haupt sinkt sanft auf seinen Busen, Ewald löscht die Fackel aus, und der das Gemach schließende Vorhang rauscht langsam und leise herab. Die Musik ist verhallt. Feierliche Pause. Rührung in jeder Miene.[460]


HARMODIUS.

Es ist vorbei – er mußte von uns scheiden.

Ein königliches End, durch Ruhm verklärt.

Wer so beglückt vergeht, ist zu beneiden.

Beim Zeus, so ist der Tod ein Leben wert.


Man bedecket Heraklius mit einem seidnen Mantel.


Nun laßt sein letzt Gebot uns schnell benützen.

Denn ohne König kann das Land nicht sein.


Adrasto, erster Diener des Tempels, nimmt die Krone und stellt sich vor Ewald.


ADRASTO.

Wie Götter dich, so wirst du uns beschützen.

Drum nimm den Platz auf jenen Stufen ein.


Ewald besteigt die Stufen, auf welchen der einfache Sitz angebracht ist.


EWALD für sich.

Es bebt mein Herz, mich fasset Todesschrecken –


Er kniet nieder.


ALLE.

Wir huldgen dir als Herrscher ehrfurchtsvoll.


Knien.


ADRASTO.

So mag die Kron dein weises Haupt bedecken,

Sei König! Herrsch! –


Bei dem letzten Wort hat er ihm die Krone aufs Haupt gesetzt, doch ohne die geringste Pause stürzt

unter schrecklichem Gekrache der Saal zusammen. Der Bogen und die Kulissen bilden Berge von Schutt, welche die Spielenden dem Auge des Publikums entziehen. Im Hintergrunde zeigt sich das Meer, das zwischen die Schuttberge des Saales hereindringt und aus dem in der Ferne die versunkenen Türme von Massana hervorragen. Die Stufen, wo Ewald gekniet, ein Flugwagen, verwandeln sich in Wolken, worauf er bis in die Mitte des Theaters schwebt und wehmütig ausruft


Massana, lebe wohl!


Er schwingt seine Fackel, um den traurigen Anblick zu verschönern, und fahrt fort. Die aus dem Meer hervorragenden Trümmer und der Schutt des Saales verwandeln sich in zarte Rosenhügel, die Luft wird rein, und das Ganze erstrahlt im lieblichsten Rosalichte.

Der Vorhang fällt langsam.

Ende des ersten Aufzuges.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 458-461.
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