Siebzehnter Auftritt


[499] Verwandlung.

Der Wald mit der Pforte der Eumeniden, auf welcher die drei Siegel glühen. Nacht. Mondlicht. Lucine mit den Kränzen. Kreon.


LUCINA.

Komm, mein Kreon, der Sieg ist uns gelungen.

KREON.

So hättest du Unmögliches errungen?

LUCINA.

Bald wird dein Leid die höchste Freude lohnen.

Der Orkus ist beschämt, hier sind die Kronen.

KREON.

Hell leuchten sie, drei Sonnen, durch die Nacht.

Wie schnell flieht Schmerz, wenn uns die Hoffnung lacht.

LUCINA.

Nun knie dich hin und senk dein Aug zur Erd,

Daß es der grause Anblick nicht versehrt.

Denn Rhea ächzet und die Sterne wimmern,

Sehn sie den Dolch der Eumeniden schimmern.


Kreon kniet und beugt sein Haupt. Sie legt die Kränze auf den Opferstein.


Drei Kronen ruhen auf dem kalten Stein.

Ich opfre sie!


Eine Flamme entbrennt auf dem Altar und vermehrt scheinbar die Kränze.


Nun, Flamme, schließ sie ein.

Schmelzt, Siegel, Pforte, öffne deinen Rachen.


Die Siegel verschwinden. Die Pforte springt unter schrecklichem Geprassel auf.


Herauf, herauf, ihre rachedurstgen Drachen!

Blick ja nicht auf, es kostet dich das Leben,

Die Eumeniden nahn –


Das Heulen des Sturmwindes.


Selbst mich ergreift ein Beben.


Sie beugt ihren Leib gegen die Erde.

Klagende Sturmmusik.

Ein blauer Blitz fährt aus der Höhle. Tisiphone, Megäre, Alekto, ganz grün gekleidete Furien, das Haupt mit Vipern umwunden eilen, bläuliche Fackeln und blinkende Dolche schwingend, aus der Pforte.[500]


ALLE DREI blicken auf den Mond. Im tiefen Ton.

Der Mond, der Mond, er scheint zur rechten Stunde.

Wacht auf, wacht auf, die Rache hält die Runde.


Sie gehen gemeßnen Schrittes über die Bühne.


LUCINA.

Es ist geschehn, bald ist dein Feind gerichtet

Und so der Streit mit banger Welt geschlichtet.

Nun folg, es harren dein auf mein Geheiß

Die Edlen all im liebverschlungnen Kreis.

Von tausend Lampen schimmert dein Palast,

Der kaum den Jubel seiner Gäste faßt.


Beide ab.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 499-501.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die unheilbringende Zauberkrone
Raimundalmanach / Die unheilbringende Zauberkrone: Oder König ohne Reich, Held ohne Mut, Schönheit ohne Jugend

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Ein Lustspiel in drei Aufzügen

Der Teufel kommt auf die Erde weil die Hölle geputzt wird, er kauft junge Frauen, stiftet junge Männer zum Mord an und fällt auf eine mit Kondomen als Köder gefüllte Falle rein. Grabbes von ihm selbst als Gegenstück zu seinem nihilistischen Herzog von Gothland empfundenes Lustspiel widersetzt sich jeder konventionellen Schemeneinteilung. Es ist rüpelhafte Groteske, drastische Satire und komischer Scherz gleichermaßen.

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon