Achtzehnter Auftritt


[501] Verwandlung.

Die goldgezierte runde Marmorhalle, das Schlafgemach Phalarius', durch zwei kerzenreiche Kandelaber erleuchtet. An der Seite sein Lager, neben diesem brennt auf einem Postament eine Lampe. Gegenüber eine Pforte von Ebenholz.

Phalarius tritt auf, hinter ihm Antrokles tief gebeugt.


PHALARIUS.

Laßt sehn, wie lang mein stolzer Nachbar sich noch brüstet.

Wo sind die Feldherrn? Ist mein ganzes Heer gerüstet?

ANTROKLES.

Es harret mutentbrannt der Krieger rüstge Schar.

PHALARIUS lachend.

Vergebens glüht der Mut, vermeidet ihn Gefahr.

Nun löscht die Lichter aus, laß Dunkelheit herein.

Entfern dich dann.


Beiseite mit Grimm.


Und überlaß mich meiner Pein.


Antrokles löscht die Lichter aus bis auf die Lampe, beugt sich tief und geht bangend ab. Das Gemach

wird finster.


PHALARIUS allein.

Ein kluger Hauswirt schließt des Nachts die Tür.

Ich ahm es nach –


Schließt.


So. Nun bin ich allein mit mir.


Erschrickt.


Allein? Ein falsches Wort. Wer kann das von sich sagen?

Schickt nicht die Einsamkeit Gedanken, die uns plagen?[501]

Was sind Gedanken, die im Aufruhr sich versammeln,

Das Hirn bedrohn und der Vernunft das Tor verrammeln?

Gemeiner Troß ists, auf den man nicht achten muß.

Der König der Gedanken ist nur der Entschluß,

Drum hab ich es auch fest mit Marmorsinn beschlossen,

Wie Phöbus groß und hehr mit feuersprühnden Rossen

Des Himmels Reich durchzieht auf goldnem Strahlenwagen,

So will ich durch die Erd das Licht der Krone tragen.

Die Sonn am saphirblauen Zelt glänz nicht allein,

Ich will die zweite auf smaragdnem Grunde sein.

Von Äthiopiens Sand, wo glühnder Samum hauset,

Bis an des Nordpols Eis, wo Boreas erbrauset,

Muß mein Panier mit weithinschaundem Stolze prangen.

Poch ruhiger, mein Herz, gestillt wird dein Verlangen.


Er legt die Pantherhaut und seine Waffen ab, doch die Krone nicht, und streckt sich aufs Lager.


Besuch mich, falscher Schlaf, der selten mein gedenkt

Und sich nur gern auf kummerlose Augen senkt.

Verlisch, o Lampe, lischt doch einst die Sonne aus,

Dann wird es finster sein im großen Weltenhaus.


Er löscht die Lampe aus. Augenblicklich sieht man bei seinem Haupte Drei Glühendrote Geister sitzen, welche unverwandt nach seiner Krone blicken. Sie sind früher hinter dem Ruhebette verborgen und heben erst jetzt zugleich ihre Häupter. Pause.


Wie ecklich still! – Was war das Leben ohne Streit?

Die Scheide ohne Schwert –


Schrickt auf.


Wer da?


Erblickt die Geister.


Ha ihr! Auch heut?

DIE DREI GEISTER zugleich, eintönig und hohl.

Wir bewachen die Krone mit Uhusblick.

Schlaf ruhig, schlaf ruhig, nichts störe dein Glück.

PHALARIUS laut auflachend.

Mein Glück! Wie bin ich doch so glücklich nun durch euch.

Der Wunsch verarmt, ist die Erfüllung überreich.

O Wahn, der über Leides Abgrund Brücken baut,

Weh dem, der ihrem luftgen Bogen keck vertraut![502]

Verzweiflungsvolles Glück, das selber sich entleibt!

Du machst mich arm, daß mir nichts als die Krone bleibt.

Die Kron? Beim Styx, ich will sie fürchterlich benützen,

Verderben soll von ihren glühnden Zacken blitzen.

Ich räche meine Qual, wer will mich daran hindern?


Es pocht an die Pforte.


ALEKTO dumpf.

Der Eumeniden Dolch!

MEGÄRA.

Vernichtung allen Sündern!

DIE DREI GEISTER.

Die Eumeniden hier! Der Orkus hat geendet.


Verschwinden.


PHALARIUS springt auf.

Wer pocht so frech, sag an, wer dich so spät noch sendet?


Leises Pochen.


ALLE DREI.

Mach auf, fein Königlein, wir wünschen dich zu sprechen.

PHALARIUS.

Was wollt ihr mir?


Die Tür springt mit einem Donnerschlage auf.


ALLE DREI treten zugleich ein.

Wir strafen dein Verbrechen.

PHALARIUS entsetzt.

Ha, die Erinnyen!

ALLE DREI.

Bereu! du mußt erbleichen.

PHALARIUS.

Die furchtbar Rächenden!

ALLE DREI.

Die jede Tat erreichen.

PHALARIUS.

Zurück, verfluchte Furien! mich schützt die Kron.

ALEKTO.

Sie schützt dich nicht. Der Orkus schweigt. Denk an Kreon![503]

PHALARIUS.

Ich hasse ihn wie euch.

TISIPHONE.

Denk an Aspasien!

MEGÄRA.

An Brand von Agrigent!

ALEKTO.

Gedenk! Du mußt vergehn.


Sie drängen ihn aufs Lager.


PHALARIUS.

Ich denke nichts als Blut.

ALEKTO.

So denk an blutgen See!


Ein Teil der Kuppel stürzt ein, so daß sich ein rund ausgebrochnes Loch zeigt, durch welches der Vollmond aufs Lager scheint.


PHALARIUS.

Weh mir! des Mondes Strahl.


Die Erinnyen senken ihre Dolche in seine Brust.


ALLE DREI.

Vergeh! vergeh! vergeh!


Pause, während welcher sie in die Mitte des Theaters treten.


Der Mond, der Mond, er schien zur rechten Stunde.

Ihr Sünder bebt, die Rache hält die Runde.


Gehen gemeßnen Schrittes ab.


HADES aus der Versenkung, naht sich langsam dem Lager Phalarius'.

HADES feierlich.

Gib mir zurück die Kron, du bleiches Heldenhaupt.


Er nimmt sie ihm ab.


Da liegt der stolze Baum, zersplittert und entlaubt.

Hell glänzt die Kron, nun will die gierge Welt ich fragen:

Wo ist der Kühne wohl, der sie nach ihm will tragen?


Versinkt.


Quelle:
Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. München 1960, S. 501-504.
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