An die Könige

Soll wieder eine ganze Welt vergehen?

Bricht wieder eine Sündfluth ein?

Und sollen wieder alle Tempel und Trophäen

Berühmte Trümmer seyn?


Und alle Künste spät aus Asch' und Moder

Und Todtengrüften aufersteh'n,

Und aus der Nacht des regellosen Zufalls oder

Auf ewig untergeh'n?


Wenn nun die weise Vorwelt ausgestorben,

Das unerzogne Kindeskind

Ein Räuber ist; die nicht zu Räubern angeworben,

Armsel'ge Pflüger sind? – –


O ihr, verderblicher, als der entbrannte

Vesuv, als unterirdische

Gewitter! ihr des magern Hungers Bundsverwandte,

Der Pest Verschworene!


Die ihr den schnellen Tod in alle Meere

Auf Donnergaleonen bringt,

Und von Lisboa bis zum kalten Oby Heere

Zum Wechselmorde dingt!
[32]

Und ach! mit Deutschlands Bürgern Deutschlands Bürger

Zerfleischet, einen bessern Held,

Der Brennen weisen König zu betrüben, Würger

Der Welt und Afterwelt!


Wenn eurer Mordsucht einst ein Friede wehret,

Der jedem das geraubte Land

Und seine bangen Feste wieder gibt, – verheeret,

Entvölkert, abgebrannt:


Ihr Könige, wie wird es euch nicht reuen,

(Wo nicht die fromme Reue fleucht,

Durch Wollust, falsche Weisheit, lauter Schmeicheleien

Des Höflings weggescheucht)


Daß euer Stahl unmenschlich Millionen

Urenkelsöhne niederstieß:

Daß keiner, satt des Unglücks, seine Legionen

Das Blutfeld räumen hieß,


Und lieber, schuldlos, tapfer, durch die Wogen

Des stillen Oceans den Pfad

Gesuchet, eine Welt entdeckt, ein Volk erzogen,

Wie Manko Kapak that,
[33]

Der neue Schöpfer seiner Vatererde:

Er theilte Feld und Binsenhaus

Und Weib und Kleid und Zucht und Götter einer Heerde

Zerstreuter Wilden aus;


Und hieß dem frommen Volk ein Sohn der Sonne,

Gleich milde, wachsam so wie sie,

Und so wie sie des neugebornen Landes Wonne,

Und ewig jung wie sie.

Quelle:
Karl Wilhelm Ramler: Anthologie aus den Gedichten, Hildburghausen / New York 1830, S. 28-29,32-34.
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