[87] Worüm min Unkel Hers' mit Parol un Feldgeschri kümmt; worüm Mamsell Westphalen nich in't Torfmur sitten will, un worüm de Herr Ratsherr up den Möller sinen Wagen rup un ok wedder runnen kümmt.
Wildeß is Fritz Sahlmann mit dat vörgeschrewene Gesicht, de Hän'n in de Tasch un mit Fläuten up't Sloß ruppe gahn, doch as hei in de Käk rin kümmt, vergett hei alle Vörschriften un set't en Gesicht up, dat kunn ein verlangs bekiken un verdwas bekiken, dat sach ümmer ut as Bileammen sin, as sin Esel an tau reden fung, un stamert Mamsell Westphalen in't Uhr: »Rettung naht!« – »Jung'! Fritz Sahlmann!« seggt Mamsell Westphalen, »wat is dit? wat sall dit? un wat bedüd't[87] dit?« – Fritz seggt denn nu, wat sei dauhn süllen, dat sei sick in de Käk bet up den letzten Mann hollen süllen un keinen Franzosen rinne laten un dat Ratsherr Hers' mit Parol un Feldgeschri kamen un't Kommando äwernehmen wull. »Leiwer Gott!« seggt Mamsell Westphalen, »wat sall ick dauhn? Den Herrn Amtshauptmann kann ick unner so'ne Ümstän'n nich unner de Ogen gahn, denn dat litt min Schimp nich. Ick will mi also getrost den Herrn Ratsherrn in de Arm smiten un sinen Rat folgen, un de ward richtig sin, woför wir hei süs Ratsherr. – Fik un Korlin, nemt ji beiden de Achterdör, Fritz Sahlmann un ick nemen de Käkendör, un nu paßt gaud up, dat ji dat Feldgeschri nich verfehlt.« – De Dören würden afslaten, Fik namm en Bessen, Korlin 'ne Kohlhack, Fritz Sahlmann 'ne Füllkell, un Mamsell Westphalen langt all nah 'ne Mäuserkül, let s' äwer liggen un säd: »Gott sall mi bewohren, dat ick mit Murd un Dodslag min Schuld gröter mak! Ne, ick weit en beter Middel«, ein halt en Aschkasten, sett em vör sick up den Käkendisch, von wo ut sei de Achterdör un de Käkendör bestriken kunn, un säd: »So, nu mit Gott! Nu lat s' man kamen! – Wer äwer von min Ort 'ne Salw in't Gesicht kriggt, de sall sick de Ogen gaud wischen.«
Dat wohrt denn ok nich alltaulang', dunn röp ein vör de Achterdör: »Wohl, wohl!«, un nah 'ne lütte Wil röp de sülwige Stimm halwlud dörch dat Slätellock: »Sur Swinfleisch.« – »Dat is de Rechte«, seggt Mamsell Westphalen. »Korlin, mak mannsbreid de Dör up, un wenn hei rin is, denn snapp glik wedder tau.« – Korlin makt denn nu also de Dör en En'nlang up, un de Herr Ratsherr will sick dor dörch drängen, dunn schüfft sick sin Mantelkragen taurügg, un sin Dreimaster un rode Uniformskragen kümmt taum Vörschin. »Huch!« krischt Korlin up un klemmt den Herrn Ratsherrn halw in de Dör fast, »en Franzosenkirl! En Franzosenkirl!« – »Sur Swinfleisch!« röppt Ratsherr Hers', »hür' ji nich? Sur Swinfleisch!« Äwer't kamm tau lat: Fik hadd em all mit ehren stuwen Bessen den Haut von den Kopp un dat Fell[88] von't Gesicht runnestrakt, un Mamsell Westphalen hadd em all mit twei Hän'n vull Asch in de Ogen schaten.
Min Unkel Hers' stunn dor un pust un prust un snow un grappst mit de Hän'n vör sick hen, as wenn einer Blindkauh spelt, Nacht vör sine Ogen un helle Wut in sinen Harten. Sin ganzes Vörnemen was en Klackeierkauken worden, denn wat will 'ne Heimlichkeit seggen, ut de en Käkenspektakel ward, wat kann en wichtig Gesicht utrichten, wenn't mit en stuwen Bessen bearbeit't is, un wo bliwwt alle Glanz, wenn de Torfasch doräwer liggt as de Mehldau up 'ne Blaum.
De irste, de de Besinnung wedder kreg un gewohr würd, wen eigentlich dit allens passiert was, was Fik; mit einen Satz was sei ut de Achterdör rin in den Regen. Korlin folgt ehr nah un rep: »Beter en natt Johr von unsen Herrgott as von uns' Mamsell!« – Fritz Sahlmann röp: »Herr Je, dat is de Herr Ratsherr!« – Mamsell Westphalen stunn dor as Lots Wiw – man blot, dat sei vullstänniger was as de Lotten – un kek up den Herrn Ratsherrn, as wir hei Sodom un Gomorrha, un röp ganz swack: »Allbarmherziger! Wi wandeln all in Finsternis!« – »Sei hewwen gaud reden«, prust min Unkel Hers' herut, »Sei känen doch kiken; äwer ick kann de Ogen nich upmaken. – Water her!« – Nu gung denn dat Waschen los un dat Wischen un dat Duren un dat Wunnern un dat Schellen un dat Begäuschen; äwer min Unkel was tau arg un säd: för sinentwegen künnen all de Sloßmamsells uphängt warden, hei würd sick woll häuden un sick mit Frugenslüd' in 'ne heimliche Verswörung inlaten. – Mamsell Westphalen treckt de Schört an de Ogen un fung an tau rohren un säd: »Herr Ratsherr, raden Sei mi; Vader un Moder heww ick nich mihr, den Herrn Amtshauptmann kann ick in so'ne Umstän'n nich unner de Ogen treden; Sei sünd min einzigste Trost.«
Min Unkel Hers' hadd en Hart un en gaudes Hart, min Unkel Hers' hadd en Sinn un en weikmäudigen Sinn, un as em de Asch nich mihr in de Ogen fratt un as em Mamsell Westphalen de Schrammen in sin Gesicht mit säuten Rohm insmert[89] hadd, dat sin leiwes rodes Antlitz utsach as en Poggenstaul, wo de Fleigen mit dodmakt warden, säd hei fründlich: »Laten S' dat Weinen man sin, ick help Sei taurecht: Sei möten feldflüchtig warden.« – »Feldflüchtig?« röp sei un kek ganz verdutzt ehre Figur von baben bet unnen an. »Herr Ratsherr, ick feldflüchtig!« un dacht dorbi an de Feldflüchters, de sei baben up den Duwenslag hadd, un wenn ehr Ümstän'n nich so bedräuwt west wiren, hadd sei binah lacht. – »Ja«, seggt min Unkel. »Känen Sei bi desen Weg un Weder woll so'n Milener drei bet vir in einer Tour marschieren? Denn Fuhrwark is nich tau krigen, is ok nich heimlich naug.« – »Herr Ratsherr«, seggt Mamsell Westphalen, un dat Lachen vergung ehr ganz un gor, »Seihn S' min Perßon an, ick bün wat vüllig bugt, un dat Treppenstigen ward mi tau Tiden all wat sur.« – »Känen Sei denn riden?« – »Wat seggen Sei?« – »Ick mein', ob Sei riden känen?« – Mamsell Westphalen stunn nu up un set't de Hän'n in de Sid un säd: »Mit Schan'n will ick nich lewen. Wecker Frugensminsch ritt? Ick heww man ein kennt in minen Lewen, un dat was en Frölen, äwer de was ok dornah.« – Ratsherr Hers' stunn nu ok up un gung en pormal in Gedanken in de Käk up un dal un frog endlich: »Trugen Sei sick dat woll tau, dat Sei bi dese Witterung viruntwintig Stun'n in uns' städt'sches Torfmur in't Schülp steken känen?« – »Herr Ratsherr«, seggt Mamsell Westphalen un grippt wedder nah de Schört un drögt sick de Ogen, »seihn S', ick bün nu in de Föftigen un heww verleden Harwst de grote Krankheit hatt ...« – »Denn geiht dat ok nich«, föllt ehr Ratsherr Hers' in de Red', »denn giwwt dat blot noch twei Weg', einen nah baben un einen nah unnen. Flüchten möten Sei, entweder up den Bähn oder in den Keller.« – »Herr Ratsherr«, röppt Fritz Sahlmann un krüppt achtern Füerhird herut, »ick weit't.« – »Jung'«, seggt min Unkel, »büst du hir?« – »Ja«, seggt Fritz ganz benau't. – »Denn is't wedder mit de ganze Heimlichkeit nicks, denn wat drei weiten, weit de Welt.« – »Herr Ratsherr«, seggt Fritz, »ick segg wohrhaftig in Gott nicks nah! Un, Mamselling, ick weit en Flag. An den[90] Rökerbähn is de ein Plank los un lett sick afbögen, un wenn Sei sick en beten dünn maken, denn känen Sei sick dordörch bängen, un dor achter is unner de Auken 'ne lütte Afsid, dor findt Sei kein Deuwel nich.« – »Entfahmte Slüngel«, seggt Mamsell Westphalen un vergett all ehr Angst un Trübsal, »denn büst du dat west, de mi ümmer de Mettwust von den Bähn stahlen hett, un, Herr Ratsherr, ick heww ümmer de unschülligen Rotten in Verdacht hatt.« – Min Unkel redd't nu Fritz Sahlmannen vör 'ne düchtige Dracht Släg' un seggt, dat wir nu de höchste Tid un sei müßt flüchten un dit wir dat richtige Flag.
Sei flüchten nu all drei nah den Rökerbähn herup, un as Fritz Sahlmann de los' Plank un de Gelegenheit dor achter wis't hett, seggt min Unkel Hers': »So, Mamselling, nu setten Sei sick hir up den Rökerbähn, denn sitten möten Sei nu; ick ward achter Sei tausluten, un wenn Sei hüren, dat wer hir vör an de Dör kümmt, denn krupen Sei sachten dörch de Plank in de Afsid un nemen S' sick vör Hausten un Prusten in acht.« – »Dat seggen Sei woll, Herr Ratsherr – in desen Rok!« seggt sei. – »Dat will wi krigen!« seggt hei un stött de Luk up. – Sei willen nu gahn, dunn seggt sei: »Fritz Sahlmann, min Sähn, verlat mi nich un bring mi Orre, wo de Sak steiht.« – »Unner keinen Ümstän'n«, seggt Ratsherr Hers', »darf hei up den Bähn ruppe gahn, dat künn wer seihn, un denn is allens verraden.« – »Laten S' man, Mamselling«, seggt Fritz, »ick ward dat woll krigen«, un plinkt ehr listig tau. – Sei gahn, un Mamsell Westphalen sitt in Truer unner ehr Specksiden un Schinken un Wust un seggt: »Wat helpt all de leiwe Gottessegen, wenn ein in mine Johren up de Flucht is!«
As Unkel Hers' Mamsell Westphalen in den Drögen wüßt, gung hei wedder nah de Käk hendalen un rems't Fritz Sahlmannen noch einmal recht düchtig mit en lütten Handgriff an de Uhren dat Swigen in. In de Käk treckt hei sick den grisen Kragen von sinen Mantäng wedder äwer den gestickten Rockskragen un den Dreimaster un slek heimlich, as de Katt[91] von den Duwenslag, ut de Achterdör. Knapp hadd hei äwer sin Babengestell ut de Dör steken, dunn krischt un lacht dor wat los, un Fik un Korlin, de glöwt hadden, de Luft wir nu wedder rein, un in de Käk rin wullen, preschten utenein as en por wittbunt Duwen, wenn de Häwk dor mang fohrt. – »Hollt jug Mul!« rep min Unkel Hers', »ick dauh jug nicks!« – Doch wat hülp dat? De Buren, de noch mit ehr Pird in den Goren blewen wiren, keken sick bi dat Krischen üm, un as sei achter sick den verpuppten französchen Offzierer segen, wat äwer eigentlich min Unkel Hers' was, dunn bündelten sei ut, all up de gräune Purt los, un 't wohrt nich lang', dunn was kein Hauf un kein Klaw von Kanonenvörspann tau seihn. De Herr Ratsherr slog sick nu sidwarts in de Büsch', un as hei so'n lütten verdeckten Katerstig entlang geiht, wer kümmt an tau gahn? Oll Möller Voß mit sinen Mantelsack unner den Arm. »Gun Morrn, Herr Ratsherr!« – »Dat weit doch der Deuwel!« seggt Ratsherr Hers'. »Möller Voß, seihn Sei nich? Ick will jo nich kundbor warden.« – »Na, mi verlangt dor ok nich nah«, seggt de Möller. »Äwer, Herr Ratsherr, Sei können mi en Gefallen dauhn: an de gräun Purt heww ick min Fuhrwark anbunnen, bringen S' mi dat in Säkerheit! Ick dauh Sei mal wedder en Gefallen; so drad de Bors in den Mähldik biten deiht, lat ick Sei't weiten.« – »Will't besorgen«, seggt de Herr Ratsherr un geiht nah de gräune Purt, un as hei den Möller sin Fuhrwark dor finnt, binnt hei dat los, stiggt up den Wagen un will eben afkarjolen, dunn trett em 'ne Parti Franzosen entgegen, vöran de Kanonenoberst sülwst, up den sinen Befehl all dat Vörspann anordniert was un de nu vele sach, de nich dor wiren, denn sei wiren so tämlich all utbrummt. Min Unkel Hers' würd denn nu glik arretiert un von den Wagen reten, un as de Kanonenoberst sin Uniform sach un hei ümmer röp: hei wir conseiller d'état – denn hei wüßt in den Ogenblick keinen betern französchen Namen för en Stemhäger Ratsherrn tau finnen –, dunn dachten de Franzosen, sei hadden en rechten Fats makt un hadden den Häupter von dat Ganze. De Kanonenoberst[92] verfluchte un verswur sick up dat unchristlichste Französch: hei wull an em en Exempel statuwieren. Vir Mann müßten em in de Midd nemen, un so würd min Unkel Hers', de in de schönste Heimlichkeit kamen was, en gaud Wark tau stiften, taum apenboren Spektakel äwer'n Buhof in de Stadt t'rügg ledd't, üm an sick sülwst en leges Stück tau erfohren.
As dit geschach, stunn dient dorbi oll Bäcker Witt achter'n groten Kastannenbom, denn hei was ok kamen, den Möller sin Fuhrwark in Säkerheit tau bringen. »Schaden kann dat den Herrn Ratsherrn nich«, säd hei tau sick, »hei köfft sinen Stuten von Guhlen, worüm nich von mi? Na, hei möt sick sülwst raden, un hei kann't ok, denn hei is sihr klauk; äwer dat unschüllige, unvernünftige Veih kann't nich, dorför möt unserein sorgen«, un dormit steg hei up den Wagen un führt sachten achter de Franzosen her nah sin Schün ein treckt de Pird in't Fack.
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