Der Engel

[508] Mit einem Neigen seiner Stirne weist

er weit von sich was einschränkt und verpflichtet;[508]

denn durch sein Herz geht riesig aufgerichtet

das ewig Kommende das kreist.


Die tiefen Himmel stehn ihm voll Gestalten,

und jede kann ihm rufen: komm, erkenn –.

Gieb seinen leichten Händen nichts zu halten

aus deinem Lastenden. Sie kämen denn


bei Nacht zu dir, dich ringender zu prüfen,

und gingen wie Erzürnte durch das Haus

und griffen dich als ob sie dich erschüfen

und brächen dich aus deiner Form heraus.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 508-509.
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Neue Gedichte - Der Neuen Gedichte anderer Teil.
Insel Taschenbücher, Nr.49, Neue Gedichte