Fallschirmabsprung meiner Begleiterin

[360] Wie sie den Fallschirm mir zeigt und erklärt,

Kann ich nur halb zuhörn und zusehen.

Ich muß daran denken, wie ganz verkehrt

Oft Frauen mit ihren Schirmen umgehen.

Ich bin doch sonst kein solch Angstpeter.

Aber nun – – Und nun sind wir so weit,

Vielmehr so hoch. Etwa zweitausend Meter!

Wir erheben uns. »Alles bereit?«

Ich öffne die Türe.

»Gott soll Sie erhalten

Und Ihren seidenen Schirm entfalten.

Ich schösse mich tot, wenn ich jemals erführe – –«


Mir graust.

Das Frauenzimmer ist abgesaust.

Ich blicke ihr nach. Einmal überschlägt sie

Sich, wird ein Punkt, dann ein Pünktchen, und, ach,

Plötzlich ein sonnig blitzendes Dach,

Und ich weiß: Das Dach trägt sie.


Ich schließe die Türe und reiße die Watte

Aus meinen Ohren. Ich fühle mich frei

Und sicher. Und ärgre mich doch dabei,

Weil sie mehr Schneid als ich hatte.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 360-361.
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