Ein frölicher Ostergesang

[216] Lasset uns den Herren preisen,

O ihr Christen, überall,

Kommet, daß wir Dank erweisen

Unserm Gott mit süßem Schall.

Es ist frei von Todesbanden

Simson, der vom Himmel kam,

Und der Löw aus Juda Stamm,

Christus Jesus, ist erstanden;

Nun ist hin der lange Streit.

Freue dich, o Christenheit.

Christus selbst hat überwunden

Des ergrimmten Todes Macht;

Der in Tüchern lag gebunden,

Hat die Schlang' itz ümgebracht;[216]

Satans Reich ist ganz verheret,

Christus hat es nach der Ruh'

Ausgetilget, und dazu

Belial sein Schloß zerstöret,

Daß wir haben frei Geleit.

Freue dich, o Christenheit.

Warest du nicht nur gestorben,

Sondern auch ins Grab gelegt?

Ei, du bliebest unverdorben:

Da sich nur der Fels erregt',

Held, da bist du wiederkommen,

Hast das Leben und die Macht

Aus der schwarzen Gruft gebracht

Und des Todes Raub genommen,

Schenkst uns nun die Seligkeit.

Freue dich, o Christenheit.

Tod, wo sind nun deine Waffen,

Hölle, wo ist dein Triumph?

Satan konte gar nichts schaffen,

Seine Pfeile wurden stumpf:

Christus ist sein Gift gewesen,

Ja der Höllen Seuch und Pest,

Welt und Sünde, ligen fest

Und wir Menschen sind genesen

Nur durch seinen tapfren Streit.

Freue dich, o Christenheit.

Gott der heilet unsre Plagen,

Wenn wir nirgend Hülfe sehn,

Lässet uns nach dreien Tagen

Lebend wiedrüm auferstehn;

Darüm muß ich dankbar werden,

Und mein' Ehr' ist Freuden vol

Weil der Herr nicht sehen sol

Die Verwesung in der Erden,

Noch der Hölen Einsamkeit.

Freue dich, o Christenheit.

Er ist aus der Angst gerissen

Und mit Ehren angethan.

Wer ist, der sein Leben wissen

Und die Läng' ausreden kan?[217]

Christus ist der Eckstein worden;

Gott, das ist von dir geschehn,

Wie wir itzt für Augen sehn:

Wir sind aus der Sünder Orden

Hingerissen durch den Streit.

Freue dich, o Christenheit.

Hast du schon vom Bach' am Wege

Angenommen einen Trank

Und erlitten tausend Schläge,

Warest kränker noch als krank:

Ei, so hast du doch erhoben

Dein verklärtes Angesicht,

Stirbest nun und nimmer nicht.

Ja, wir werden ewig loben

Dich, Herr Jesu, nach dem Streit.

Freue dich, o Christenheit.

Herr, dieß sind recht edle Früchte,

Die dein' Auferstehung gibt,

Daß wir treten für Gerichte,

Ganz in deine Gunst verliebt.

Herr, dieß sind die schöne Gaben,

Gnad' und Leben, Freud und Sieg,

Trost und Friede nach dem Krieg',

O, die sollen kräftig laben

Leib und Seel' in allem Leid.

Freue dich, o Christenheit.

Weil nach diesem Fried ich dürfte,

Wie nach Wasser, Tag und Nacht,

Den du großer Kriegesfürste

Durch den Kampf hast wiederbracht:

Ei, so theil' itzt aus die Beute,

Wie der starke Simson that,

Als er überwunden hat,

Laß dich rühmen alle Leute,

Daß geendigt sei der Streit.

Freue dich, o Christenheit.

Gib, Herr Jesu, deine Gnade,

Daß wir stets mit Reuen sehn,

Was uns armen Sündern schade,

Daß wir, dir gleich, auferstehn.[218]

Brich herfür in unsern Herzen,

Ueberwinde Sünde, Tod,

Teufel, Welt und Höllennot;

Dämpf' in uns Angst, Pein und Schmerzen

Samt der Seelen Traurigkeit.

Freue dich, o Christenheit.

Meinen Leib wird man vergraben,

Aber gleichwol ewig nicht,

Bald werd ich das Leben haben,

Wenn das letzte Weltgericht

Alle Gräber wird entdecken

Und der Engel Feldgeschrei

Zeiget, was vorhanden sei;

Dann wird mich mein Gott aufwecken

Und beschließen all mein Leid.

Freue dich, o Christenheit.

Denn so werden meine Glieder,

Die itz Staub und Asche sein,

Unverweslich leben wieder

Und erlangen solchen Schein,

Dessen gleichen auf der Erden

Nimmermehr zu finden ist.

Ja, mein Leib, Herr Jesu Christ,

Sol dem deinen ähnlich werden,

Voller Pracht und Herlichkeit.

Freue dich, o Christenheit.

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 216-219.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Chamisso, Adelbert von

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

Peter Schlemihls wundersame Geschichte

In elf Briefen erzählt Peter Schlemihl die wundersame Geschichte wie er einem Mann begegnet, der ihm für viel Geld seinen Schatten abkauft. Erst als es zu spät ist, bemerkt Peter wie wichtig ihm der nutzlos geglaubte Schatten in der Gesellschaft ist. Er verliert sein Ansehen und seine Liebe trotz seines vielen Geldes. Doch Fortuna wendet sich ihm wieder zu.

56 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon