Andächtiges Lied

[276] Gottseliger Christen, Wenn etwan ein starkes Donnerwetter ist entstanden.


1.

Ach lieber HERR, du grosser Gott,

Den alle Welt muß ehren,

Auff welches Winken und Gebott

Der Donner sich läst hören:

Es breiten sich die schnellen Blitz'

Itz weit von deinem hohen Sitz',

Ihr Glantz geht hin und wieder,

Dein Regen trieft hernieder.
[276]

2.

Wir hören Wolken, Donner, Feür,

Dazu den Wind dort oben

Mit prasslen, brüllen ungeheür

Und Schlägen schreklich toben.

Die Felsen spalten sich für dir,

Die hohen Berge springen schier,

Die Wasserströhme brausen,

Die starken Winde sausen.


3.

Des Himmels Säulen zittern sehr,

O Gott, für deinem Schelten,

Wir arme Sünder noch viel mehr:

Denn deine Macht muß gelten

Sehr hoch in unserm schwachen Sinn'.

Ach Herr, wo sol man fliehen hin,

Wo du dich wilst erheben,

Der Welt den Lohn zu geben?


4.

Wirst du nach unsrer Missethat

Die Straff' ergehen lassen,

So können wir noch Trost noch Raht

Für grosser Trübsahl fassen.

Denn alles Fleisch ist liederlich

Von dir gewichen hinter sich:

Kein Mensch kan hie bestehen,

Dein Grim läst uns vergehen.


5.

Ach aber, Herr, erbarme dich,

Du bist ja groß von Gnade,

Wend' ab das Wetter Väterlich,

Daß uns der Blitz nicht schade.

Du frommes Hertz, du LebensHerr,

Du Glüks- und Heils Beforderer,

Ach hör', ach hilff geschwinde,

Schau nicht auf unsre Sünde!


6.

Kein Unglük laß uns treffen doch,

HERR, hilff nach deiner Gühte;

Wir sind ja deine Kinder noch,

Ach schone dein Geblühte:

Thu nicht nach deinem Zorn und Grim,

Hab' acht auf unsre Jammerstimm'!

HERR, hilff in diesen Nöhten,

Laß uns den Strahl nicht tödten!


7.

Bewahre Menschen, Vieh' und Kraut,

Dazu die Frücht' in Feldern

Und was zur Wohnung ist erbaut,

Schon' auch der Bäum' in Wäldern.

Hilf, daß ja nicht von oben her

Ein heisser Keil uns schnell verzehr'

Und unser Guht und Erbe

Biß auf den Grund verderbe.


8.

Laß deinen Donner, Wind und Blitz,

O lieber Gott, auffhören,

Daß weder Knall noch Schlag' noch Hitz'

Uns treffen und versehren.

Gib, daß ein schöner Sonnenschein

Nach dem Gewitter müge sein,

So wollen wir dich preisen

Und ewig Ehr' erweisen.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 276-277.
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