Scena VIII.

[200] Alexander vnd Eudocia zugleich / hernach kompt Demetrius.


ALEXANDER. Von Hertzen bin ich erfrewet / vielgeliebte Schwester / daß sie von dem Durchleuchtigsten Printzen Demetrio so hertzlich wird geliebet / ich bin der gentzlichen Hoffnung / solche ewre Freundschafft / vnnd künfftige Schwägerschafft / soll vnserem gantzen Geschlechte zu besonderen Ehren / auch höchster Glückseligkeit vnnd Wolfahrt gereichen.

EUDOCIA. Hertzliebster Bruder / ich muß mich offt selber zum höchsten verwunderen wie doch der edle Printz / so viel Königlicher / Fürstlicher vnd anderer auß den höchsten Hauseren vnd Geschlechten entsprossenen Jungfrawen hindan gesetzet / eintzig vnd allein mich vor sein liebstes vnd künfftiges Ehegemahl hat erkohren / weiß aber nichts anders zu schliessen / alß daß dieses Werck sey eine sonderbahre Schickunge der höhesten vnd vnsterblichen Götter / denen es ohne zweiffel / ehe ich noch gebohren / also gefallen hat / daß ich nemblich in grossen Ehren / vnd Fürstlicher Herrligkeit mein Leben solte zum Ende bringen. Sie stehet sehr betrübet.

ALEXANDER. Vnd eben deroselben Meinunge bin auch ich / weßwegen wir vns auch billig von Hertzen zu erfrewen vnd den Götteren zu dancken haben / insonderheit / weil auch vnser Herr Vater ein sonderliches Gefallen an solcher Heyraht thut tragen / wie er denn solches zu vnterschiedlichen mahlen / beydes mit Worten vnd Gebehrden gnugsahm hat zu verstehende geben. Aber vielgeliebte Schwester[201] ich bitte / sie lasse mich doch wissen woher es komme daß sie in so tieffen vnd schwermühtigen Gedancken stehet / es kompt mir jhr Angesicht jetzo trawriger alß gesteren vohr / ist sie etwa deßwegen so hefftig bekümmert / daß sie nicht stets bey jhren allerliebsten Printzen seyn kan?

EUDOCIA. Jch kans zwahr nicht leugnen / daß wol mein Hertze an dem seinigen kleibt / ich bey keinem eintzigen Menschen vnter der Sonnen mich lieber finden lasse / alse bey jhm; Jtzo aber stehe ich vnd betrachte den sehr trawrigen Traum / der mir die nechstverwichene Nacht im schlaffe ist vorkommen / welches Traums wegen / ich fast diesen gantzen Tag über sehr bestürtzet bin gewesen. Demetrius gehet auff / ist über die masse Melancolisch / mit niedergeschlagenem Häupte / stehet auff der einen Ecke des Theatri, siehet aber Alexandrum vnd Eudociam nicht.

ALEXANDER. Ob ich zwahr nicht viel auff Träume halte / dennoch bitte ich / die Schwester wolle mir diesen jhren Traum erzehlen. Aber wen sehe ich dar so gahr trawrig vnd betrübt herümmer gehen / ist mir recht / so ist es niemandt anders alß der Printz Demetrius.

EUDOCIA. Ja warlich es ist mein allerliebster; Ach ich kan mich nicht enthalten / ich muß eilends hin zu jhm lauffen.

ALEXANDER helt sie. Ey die Schwester sey noch ein weinig stille / vnd warte noch eine kleine Weile / wir wollen erstlich vernehmen / was doch die Vrsache seiner grossen Traurigkeit vnnd Bekümmernüsse seyn möge.

DEMETRIUS redet mit sich alleine / vnterdessen wird in der Scena gahr tragice vnd submissé musiciret. O Wehe mir vnglückseligsten vnnd elendesten Creatur! Wehe mir drübsehligsten Menschen! O Wehe meinem erbärmlichen Leben! Ach / ach / was hilfft mich doch nun / daß ich des großmechtigsten[202] Königs in Macedonien eheleiblicher Sohn bin? was hilfft mich mein hoher Standt / vnd Königliches Geblüht? Was hilffts mich / daß ich so wol bey den frembden vnd Außlendischen / alse bey den Einheimischen vnd Landesleuten / meiner grossen vnd gewaltigen Thaten halber so hoch berühmet bin? Was helffen mich meine Schätze / Reichtumb / Macht / Pracht / Ehre vnd Herrligkeit / alldieweil ich nun die jenige / welche ich höher vnnd mehr alß mein eigen Leben liebe / meine allerschönste Eudociam so jämmerlich verlassen / vnd so schleunig von hinnen muß scheiden?

EUDOCIA erschrickt hefftig. Ach Bruder / er höre doch / was saget er von scheiden?

ALEXANDER. Sie halte noch ein weinig innen / wir wollen bald etwas mehr hören.

DEMETRIUS. O Verrähterischer Bruder Perseu / wie fälschlich vnnd vngetrew handelstu bey mir / da ich doch ie vnnd allewege dein bestes gesuchet habe! Du / du allein hast es mit deinen hinderlistigen Practiquen zu wegen gebracht / daß ich leider jetzt muß von hinnen nach Rom ziehen / vnnd meine allerliebste mit grossem Hertzeleidt verlassen.

EUDOCIA. Ach / ach / es ist mir vnmüglich mich lenger zu enthalten / Sie leufft geschwinde zu jhm vnnd ümfehet jhn. O mein allerliebstes Hertz / mein außerwehlter Schatz / ach lasset mich doch eiligst wissen was daß sey das jhr von scheiden saget? Die Götter wollen ja nicht zugeben / daß vnsere getrewe vnd liebhabende Hertzen so plötzlich von einander gerissen werden.

DEMETRIUS. Ach schönste Creatur / meines Lebens eintziger Trost / anjetzo befinde ich in meinem Hertzen zwey vngleiche Affecten, einmahl grosse vnd innigliche Frewde /[203] dabenebenst aber auch vbermessige Schmertzen vnnd Trawrigkeit. Frölich bin ich zwar darumb / weil ich die jenige vor mir sehe / die ich höher vnd würdiger achte / alß alle Schätze der gantzen weiten vnd breiten Welt. Trawrig bin ich / daz ich elendester vnter allen Menschen / dieselbe muß verlassen / vnd mit vnaußsprechlichem Hertzleidt von hinnen scheiden. Eudocia stehet alß wolte sie vor Angst zur Erden sincken.

ALEXANDER. Ach Durchleuchtigster Printz eine Zierde vnd Krohne aller Könige vnd Fürsten / was ist doch immermehr die Vrsache solches schnellen Abscheides? O Jhr Himlische Götter / solle es denn so gahr nicht müglich seyn / die Vrsachen desselben zu verhindern?

DEMETRIUS. O Alexander, mein getrewester Freundt / wolten die Götter / ich jennige Vrsache erfinden Könte / diese beschwehrliche / vnd mir so wiederliche Reise füglich abzuleinen / aber leider / leider / vor dißmahl sehe ich gantz vnnd gahr keine Mittel / denn / wiedersetze ich mich dem ernsten vnd gestrengen Befehlich meines Herren Vaters / so habe ich nicht allein seine höheste Disgratiam vnd Vngnade / besondern auch wol gahr die greulichste Marter vnnd den endtlichen Todt zugewahrten / komme ich nun aber dessen geboten gehorsahmlich nach / so setze ich mich vnd meine Allerliebste in die grösseste Trawrigkeit / Doch bezeuge ich mit allen Götteren / daß ich tausentmahl lieber sterben / alß meinen allerhöchsten Schatz verlassen wolte / wenn mir nicht zubefürchten stünde / daß mein allerschönste Eudocia durch solchen meinen selbstgemachten tödtlichen Abscheidt in den allergrössesten Jammer vnd Elendt würde gestürtzet werden.

EUDOCIA. Ach wehe mir elenden hochbetrübten Jungkfrawen! Ach wehe mir arbeitseligen Creatur! O wolten die Götter /[204] daß ich entweder nie gebohren / oder auch in die Hulde des allervortrefflichsten Printzen Demetrij niemahls gerahten were! Ach allerliebstes Hertze / ist denn so gantz vnd gahr kein Raht noch Hülffe mehr fürhanden / muß es denn so erbärmlich geschieden seyn.

DEMETRIUS. Ach meines Hertzens eintziger Trost / mein Freude / Hoffnung vnd Leben / kein Mittel ist leider auff dieser Welt mehr zu finden / mit dem allergrössesten Schmertzen / vnd kläglichsten Hertzeleidt müssen wir getreuwe Hertzen scheiden.


Nun wird in der Scena geblasen Reuter zu Pferdt.


EUDOCIA. Ach Göttin Fortuna, verfluchet seistu / die du mich hast lassen eine so kleine vnnd geringe Zeit glückselig seyn / nun aber stössestu mich in den Abgrundt der allergrössesten Widerwertigkeit!

DEMETRIUS. Allerliebstes Hertz / die Zeit meines Abscheides ist fürhanden / jtzt muß ich fohrt / daß Zeichen zum Auffbruch ist mit der Trommetten bereits gegeben. Nun so bewahre euch Gott mein außerwehltes Lieb / meines Hertzen Wonne / meine klahre Sonne. Ach vergesset nicht in alle Ewigkeit ewres getrewesten Liebhabers.

EUDOCIA. Bewahre euch Gott / O Durchleuchtigster Printz / mein edler Liebhaber / meine eintzige Freudt auff Erden. Ach mein Jungfrawliches Hertz will mir vor trawrigkeit in viel tausendt Stücke zerspringen!

ALEXANDER. Ach scheiden / ach bitteres scheiden! O betrübter Tag! O traurige Stunde. Euch ruffe ich an o jhr Himlische Götter / daß jhr ja diesen Durchleuchtigsten Fürsten euch lasset auf das fleissigste befohlen seyn: Ach lasset mich seine tapffere Augen baldt / baldt mit frieden vnnd Gesundtheit wiederumb anschawen.[205]

DEMETRIUS. Ach mein gewünschter Freundt vnd Bruder / vor vnmessign Trawren vnd Hertzeleidt vermag ich kaum mehr ein Wörtlein hervor bringen. Adieu meine allerschönste Göttin / Adieu ich fahre davon.

EUDOCIA ümbhälset vnd küsset jhn. Adieu o hochgebohrner Fürst / O Krohne aller Ritterschafft. O halber Theil meines Jungfräwliches Hertzens / O süsser Tranck meiner Seelen / zu viel hundert tausendt guter Nacht.

Finis Actvs secvndi.
[206]


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 200-207.
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