Scena IX. Et ultima

[276] Knapkäse allein / nach jhme Didas, welcher sich erhencket / kurtz darnach Lurco mit beyden Trabanten / bald darnach Perseus, gar allein / vnd letzlich die Gespenster.


KNAPKAESE gehet auff / ist sehr lustig. Glück zu jhr Herren / glück zu / hey curage, lustig / allegrement hey lustig. Potz ackermest Messieurs, wie greulich braff werden wir nun schlampampen / fressen / sauffen / huren vnd buben / hey lustig / frisch Springt vor freuden. nun kriegen wir auff mein Seel einen feurnewen König / vnd derselbe ist über die masse ein guter Schlucker / er seufft redlich mit / daß jhm die Augen übergehen / hey lustig / hey curage nun wil ich mit Lurco alle tage sechs rausche sauffen. Nun wird in der Scena etliche mahl starck geschossen vnd die Trommel gerüret / mit grossem Geschrey / welchs doch lautet / als wenn es zimlich ferne wehr: Suchet den Verrähter / den Ertzmörder / den Schelm den Bösewicht. Hans stehet vnter dessen zitert vnd bebet / laufft doch endlich hinein / geswinde kömt Didas darauff heraus gelauffen ohne Hutt mit offenem Wambse kan kaum lufft kriegen / fehet an mit grossem Geschrey. O wehe mir wehe mir elendesten vnd vnglückseligsten Menschen auff erden! Ach was habe ich getahn! Alle himlische vnd hellische Götter / alle Griechen vnd Macedonier / alle Fürsten vnd Herren / alle Ritter vnd Edle / alle Bürger vnd Bauwren sindt der gestalt über mich ergrimmet / daß sie mich elender weise würgen / morden / ja mit Feuwr / Radt / Schwert vnd Strick vom Leben zum Tode bringen wollen. Ach wo soll ich mich hinkeren / wohin soll ich mich wenden! die gantze Landtschafft[277] suchet mich an allen enden vnd Orthen / ja in allen Winckelen / in allen Heusern / vnd ist nunmehr kein Landt / keine Stadt / ja kein Flecken oder Dorff / dahin sie nicht Kundtschaffter abgefertiget / mich außzuforschen / damit sie mir ja baldt den Lohn meiner Verrätherey vnd Mörderey / an dehm vortrefflichen Poride / dessen hochlöblichen Kinderen / Alexandro, vnd Eudocia, dem Durchleuchtigsten Printzen Demetrio, dem Hochweisesten Fürsten Antigono, ja endlich an dem Großmechtigsten König / Philippo selbsten begangen / geben / vnd mich vnseligen mit einer grausahmen Straffe belegen mögen. Ach was sol ich denn nun beginnen? Soll ich den Tag erleben / an welchem sie jhren Hohn vnnd Spott mit mir treiben? Dasselbe soll wahrlich nicht geschehen. Jch will mir in schneller eyle selbsten davon helffen / ich sol vnnd muß doch eines sehr schendtlichen todes sterben / hie an diesem Baum will ich mich erhencken / vnd mir die Lufft vnd den Atem mit einem Stricke verstopfen / denn das ist der eigentliche gebührende Lohn meiner Verrähterey vnd Mörderey. Nun hervor mein Strick / Er langet ein Strick hervor vnd machet es feste vmb den Hals. hervor mein Strick vnd helff mir davon / denn die angst meines Hertzen ist dermassen groß / daß ich nunmehr in der eussersten verzweiffelung sterben / vnd mein Bößhaffte Seel den hellischen Peinigern muß auffopferen. Nun gesegne dich Gott Himmel vnd Erde / vnd was je geschaffen. Ach wehe wehe über alles wehe ich far davon / den wollverdienten Lohn / meiner vnerhörten bößheit in der Hellischen Qual zu empfangen. Nun erhengt er sich zu letzt sprechend. Brich Hertz / fahre dahin vermaledeyte Seel / so fahr hin in Grimm vnd Zorn / brich Hertz / adjeu ich fahr davon Zappelt mit den Füssen vnd scheumet.

HANS KNAPKAESE siehet Didam nicht hencken. A sa Messieurs wie greulich bin ich beschissen / pfui wie elementisch bin[278] ich in meiner Meinung betrogen! Jch meinte pour ma foj ich wolte so braff gepanquetiret / vnde mit Lurco alle tage 6. Rausche gesoffen haben / aber es jst lauter cujonerei worden. Jch armer Teuffel wahr so froh / vnd vermeinte / wir wolten alle Tage Wein vnd Bier schlampampet haben / nun ist aber zu Hofe ein solcher allarm das es schande vnd Sünde ist. Vnser splinternewe König ist auff mein Seel rasend vnd toll worden / vnd die Fürsten vnd Rähte wollen alle Leute todt machen / die dabey gewesen / alse vnser alter König todt worden ist / mir ist auch Scheißangst vor meinen ehrenvesten Hals. Nun sicht er Didam. Aber potz schlappermest / wie hencket der Narr dort / sich da Signieur Dida, Monsieur Hofemeister / Hofemeister / Schreyet laut. Hofemeister / hörst du nicht / ey sage mir du Narr / warumb hast du dich erhenckt pour dieu ein grosser Narr / hast das Handtwerck gar nicht recht gelernet / Nein / nein / Meister Valten macht es viel besser.

LURCO gehet ein. Sich da / Juncker Hans / was machest du hier? Sicht Didam hencken erschrickt hefftig. potz Ackermest / was ist das?

HANS ergreifft Lurco beym Arm vnd führet jhn hinzu. Schauwe doch mein Lurco / der Narr hat sich auffgehencket / ich habe jhn gefraget / warumb / so wil er mir nicht ein eintziges wort antworten / ey mein Lurco frage du jhn doch.

LURCO. Ey du Geck / packe dich hinein / waß soll er viel antworten / du sichst ja wol das er todt ist.

HANS. Ja / ja / ja ist er todt / davon habe ich nichts gewust.

LURCO. Halt Hans ich will jhn abschneiden.


Hans helt jhn.

[279] Lurco. Schneidet ab / vnd treget jhn mit Hansen der wunderliche ceremonien dabey machet hinein / Hierauff fehet sich an gahr eine traurige vnd klägliche Musica / vnd gehet auff / Perseus / verstellet sein Gesichte greulich / gehet ein zeitlangk ohne alles reden / vnter der Music in hefftiger Melancoley / hat seltzame vnd fast vnsinnige gebehrden / reisset all gemehlich die Kleider vom Leibe / fehet an endlich ex abrupto an mit einer grausamen stimme.


O Mars du gestrenger Krieges Gott / du gewaltiger Patron aller Ritterlichen Hertzen / was hat dich doch jmmermehr bewogen vnd verursachet / das du mich deinen allergetrewsten Diener vnnd Favoriten in diese grosse Noht / angst vnd verzweifelung lassest gerahten? Ach wehe mir / wehe mir / daß ich / da ich vermeinete die höchste Spitze der Glückseligkeit zu erlangen / in die euserste Vnglückseligkeit vnd endliche disperation bin gestürtzet! Ach was fühle ich vnerhörte Pein / Qual vnnd Schmertzen / in meinem elenden vnd sehr geplagten hertzen! kein Hencker oder Tyrann / wann er gleich tausendterley grausahmkeiten / erdencket kan oder mag vergliechen werden dem erschrecklichen Peiniger / meines höchstbeängsteten gewissens! Kein torment kan auch bey den allergrimmigsten Barbaris vnnd Menschenfresseren erfunden werden / welches nicht dieser nagende vnd beissende Wurm weit weit mit seiner vnaußsprechlichen Marter thut übertreffen. Jch sehe es vor augen: Alle Götter im Himmel beissen gleich vor Grimm jhre Zähnen zu sammen / die hüpfende Feldt vnd Waldgeister verfolgen mich mit grossem Geschrey / mich vnsehligen zu zerreissen / vnd das Marck auß meinen Gebeinen zu saugen; Alle hellische furien fallen mich an / mich zu sich in die Hellische Gluht zu ziehen. Die wilde vnnd grimmigste Thier in den Wälderen brüllen über mich / vnd tragen verlangen mit meinem Blute jhren Durst zu leschen / die Raubvögel vnter dem Himmel fliegen zusammen meine Augen vnd Gedärme zu verschlucken. Die Sonne vnd Mond mit allen jhren Sternlein vnd Planeten / wollen[280] mir jhren Schein nicht mehr gönnen / die Erde so doch sonst aller anderen erschaffenen dinge Mutter vnd ernehrerin ist / will mich nicht mehr tragen / der Abgrundt des Brausendes Mehres begehret mich zuverschlingen: Die rasselende Fewerflammen wollen mich verzehren: Die Lufft will nicht mehr in meinem verfluchten Cörper wohnen: Alle Creaturen / insonderheit aber alle Menschen schreyen rach / ach vnd wehe vber mich / wegen der greulichen verbrachten Mörderey vnd vnerhörten bößheit / ein jeder speyet mich an / vnd ruffet mich auß vor einen Vater vnd Bruder-Mörder / so da wehrt / daß er des allerschrecklichsten todes sterbe.

Der bößhaffte Verrähter Didas, der mich zu den greulichsten Missethaten verleitet hat / ist mit ach vnd wehe dahin gefahren / jtz / jtz will ich jhm folgen / vnd die grausahmste Marter von den hellischen Geisteren / alse eine Rechtmessige belohnung meiner Thaten empfahen. Ach weh / ach weh wie erbärmlich werde ich von den Geistern derjenigen / die ich so grimmiglich ermordet / alle Augenblick gequelet / ja Tag vnd Nacht schweben sie vor meinen Augen. Jn dehm Perseus diese Wohrt redet / kommen geschwinde herauß sieben Gespenster der vmgebrachten Personen / hatten in einer Handt / ein jeder eine brennende Fackel / in der andern die Jnstrumenta / mit welchen sie erwürget / alse Poris ein blossen Dolch / Eudocia ein Glaß mit Gifft / Alexander ein Schwert / Phillippus ein Schwert / Demetrius ein Schwert / Antigonus eine Pistole / vnd Didas ein Strick / von diesen Gespensteren wird nun Perseus gantz vnd gar vmbringet / darob er gleich gar von Sinnen kompt / vermeinet doch endlich zu entlauffen / aber er kehre sich auch wohin er wolle / so komt jhme allezeit gahr geschwinde eines der Gespenster entgegen / vnd helt jhme vor die Augen das Jnstrumenet damit er erwürget / alsdann stürtzet Perseus wieder zu rücke / ruffet vnd schreyet. O wehe wehe über alles[281] weh / O lasset ab mich zu quelen / Zu Alexandro. O Alexander weiche doch / O greulicher Alexander / Zur Eudocia. Ach wehe wehe über alles wehe / O grimmige Eudocia Zum Demetrio. O erschrecklicher Bruder / bleibe doch in deinem Grabe / vnd laß ab mich zu tormentiren Zu Philippo. ach vnversöhnlicher Vater / weichet ab / weichet ab / Zum Antigono. O vnerbittlicher Geist Antigoni, höre auff mich zu quehlen Zum Dida. O du Verrähter fliehe hinweg von mir zu deiner Hellischen qual / jtz jtz wil ich dich begleiten / Hier auff verzweifelt er nun gantz gar / schreyent. O jhr erschröckliche Geister / die jhr nichtes als rach vnd Marter suchet / dieses meines Cörpers / ey wolan nehmet hin dieses blutige Opfer / welches ich in Grim / Zorn / rachgier / Tyranney / vnd Verzweifflung euch præsentire / vnd lasset selbiges vor meine Missethaten genug sein. Nun verfluche ich euch alle Himlische vnd Hellische Götter / dich Fortunam verfluche ich: Verfluchet müssen sein alle Menschen verfluchet müssen sein alle Creaturen / so viel deren vnter dem Himmel / auff dem Erdbodem / vnd in der Tieffe vnd Abgrund seyn. Nun so tretet zusammen / vnmenschliche grausamigkeit / grimmige Bößheit / vnd endliche verzweiffelung erwürget mich geschwinde / brich Hertz / verfluchtes Hertz / Adjeu ich fahr dahin. Fellet in sein eigen Schwert. Die Gespenster lauffen geschwinde noch einmahl ümb den todten Cörper / vnd verschwinden alsdan alle zugleich. Hierauff fangt sich abermahl eine sehr traurige Musica an / vnd kommen die Trabanten / vnd tragen den todten Cörper hinein.

Finis.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 276-282.
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