Vierdter Aufzug.

[271] Hoffnung / Wahremund / Teutschland / Der Friede mit den singenden Kindern.


HOFFNUNG erscheinet in gewöhnlicher Weiber- Kleidung / mit freudigem Gesicht / und annehmlichen Geberden / redet den Wahremund an mit folgenden Worten. Glück zu mein getreuer Freund Wahremund / du würdiger Knecht deß Allerhöchsten / Jch habe nicht unterlassen wollen / nach deme Jch dein Winseln und Klagen von weitem erhöret / mich zu dir zu nahen / ob ich dir etwan mit meiner Gegenwart behülfflich seyn könte.

WAHREMUND. O du süsse / O du angenehme Hoffnung / sey mir zu hundert tausend mahlen willkommen / zu einer rechten erwünscheten Zeit sehe ich dich an diesem Orte / gelobet sey GOtt / der dich hieher zu mir hat gesendet / in meiner grossen Trübsal mich zu erquicken.

HOFFNUNG. Wie soll ich das verstehen / Wahremund / daß ich dieses Weibesbild / welches / dem Ansehen nach / schon todt ist / in deinen Armen / dich aber so von Hertzen darob bekümmert und betrübet befinde?

WAHREMUND. Ach Hoffnung / habe ich nicht grosse Ursache mich ängstlich zu bekümmern / in Betrachtung unsere allergnädigste Königin / das Großmächtigste Teutschland / auß übermässiger Furcht / für der abermaligen uhrplötzlichen[271] Ankunfft ihres grausamen Feindes / deß grimmigen Land-Verwüsters Mars / mir schier unter den Händen will sterben / und dahin gehen?

HOFFNUNG. Was sagest du Wahremund / ist das Teutschland / die zwar grosse / aber auff das eusserste geplagte unglückselige Königin? sol ich dieselbige abermahl in solchem betrübten Zustande finden?

WAHREMUND. Ja freylich ist es diese gewaltige Königin. Er schüttelt Teutschland aufs neue sehr hart. Auf / auf / allergnädigste Königin / ermuntere dich Teutschland / und laß diese neue TodesAngst dein edles Hertz doch nicht gar zubrechen. Hie findet sich die Hoffnung / eine von deinen allergetreuesten Freundinnen und Dienerinnen / eine Jnnwohnerin deß unermeßlichen Himmels / selbige begehret anders nichts / als dir in deiner Trübsäligkeit allen möglichen Rath / Hülffe und Beystand zu erzeigen.

HOFFNUNG. Ach ja Teutschland / du aller berühmteste Königin der Welt / fasse doch ein Hertz / komme doch wieder zu dir selber / unnd verzage nicht in deinem Unglükke. Wie / Teutschland / kennest du mich nicht? Mich deine allergetreueste Freundin? Jch bin die Hoffnung / ja die allerglückseligste Hoffnung bin ich / welche nimmermehr lässet zu schanden werden die jenige / welche GOTT vertrauen.

TEUTSCHLAND schläget die Augen gar kläglich auf / und spricht mit halbgebrochener Stimme. Ach Gott / wo bin ich? wie ist mir doch geschehen / ist Mars schon fürhanden?

WAHREMUND. Nein Allergn[ädigste] Kön[igin] Mars hat sich noch zur Zeit nicht wider sehen lassen / Eure Majestät[272] befindet sich in Gesellschafft ihrer Außerwehlten Freundinnen der Hoffnung und ihres getreuesten Dieners Wahremunds / sie bekümmere sich nur gar nicht / es wird / ob Gott will / alles gut werden.

TEUTSCHLAND stehet wieder auf / und umhalset die Hofnung gantz begierlich / also sprechend. O du edle Freundin meiner Seelen / wie hertzlich hat mich die blosse Erinnerung deines süssen Namens erquicket / ach wie bin ich doch für diesem so wol vergnüget / unnd höchlich erfreuet von dir geschieden!

HOFFNUNG. Ja großmächtigstes Teutschland / eben mit einer solchen / ja noch wol grössern Freudigkeit hoffe ich auch / dieses mal dich von mir zu lassen / dir wird ja annoch wol wissend seyn / was dir von der Hoffnung deß allersüssesten Friedens schon für einer geraumen Zeit ist versprochen?

TEUTSCHLAND. Ja wol Frieden liebe Tochter! hast du denn nicht vernommen / wie grausamlich mein abgesagter Feind / der Blutdurstige Mars / widerum anfähet zu wüten und zu toben?

HOFFNUNG. Stelle dich doch zur Ruhe / mein allerliebstes Teutschland / Mars wird hinfüro mit seinem Wüten wenig außrichten / es ist ihme schon vom Himmel sein Ziel gestecket / welches er nicht kan übergehen. Sein Toben rühret anders nirgend von her / als daß ihm durch das Gerüchte von herannahung des alleredelsten Friedens eine gewaltige Angst und grosser Schrekken ist eingejaget worden / denn / wenn er nur den Frieden höret nennen / so wil der Menschenwürger gar auß der Haut fahren.

TEUTSCHLAND. Ach Hoffnung / wehrte Hoffnung / wolte Gott / wolte Gott / daß das Gerüchte deß ankommenden[273] viel verhoffeten Friedens eine solche Gewißheit mit sich brächte / als ich ein sehnliches Verlangen trüge / dessen unaußsprechliche Süssigkeit einmal widrum zu schmekken / aber / aber / ob man schon viele Jahre davon hat gesagt / ist doch leider bißhero gar nichtes erfolget!

HOFFNUNG. Zweiffle nur nicht / großmächtiges Teutschland / dein Friede wird kommen und nicht aussen bleiben / GOTtes Zorn währet ein Augenblik / denn Er hat Lust zum Leben / und dieser grundgütiger GOtt wil dich nach so vielen außgestandenen schwehren Anfechtungen wiederumb mit Gnaden erfreuen.

WAHREMUND. Großmächtigste Königin / habe ich eurer Majestät dieses nicht offt vorher gesaget? habe ich sie nicht offt und vielmals mit der unermäßlichen Barmhertzigkeit GOttes getröstet? Jch glaube sicherlich / es wird sich der edle Friede nun bald wiederumb zu uns nahen.

TEUTSCHLAND. O Wahremund / GOtt gebe ja / daß dein Mund zu diesem mahle eben so waar rede / wie ich ihn sonst jederzeit befunden. Was soll ich aber viel sagen? Mein Glaube ist dermassen schwach / daß mir dieses hochgewünschetes Versprechen gar schwerlich will zu Hertzen gehen. Ach Hoffnung / daß ich doch den Tag bald erleben möchte!

HOFFNUNG. Habe ich dir nicht gesagt / großmächtigstes Teutschland / du sollest nur nicht zweiffelen? Bald / bald / ja noch diese Stunde soll dir ein erwünscheter Friedensblik erscheinen / glaube nur meinen Worten.[274]

TEUTSCHLAND. Was sagst du Hoffnung / solte mir der Friede erscheinen?

HOFFNUNG. Ein Friedensblick / Teutschland / ja ein Friedensblik sage ich / wird sich gleich itzt von dir sehen lassen / und bald darauff wird sich der edle Friede selber vollenkömlich wiedrüm zu dir wenden.

TEUTSCHLAND. Das walte der grosse GOtt des Friedens / der mich auß aller Trübsal deß Krieges durch seinen gewaltigen Arm weiß zu erretten / und nach so vielen außgestandenen Müheseligkeiten wiedrüm mit süsser Ruhe zu erfüllen.

WAHREMUND. O Hoffnung / dieses dein güldenes Versprechen lasse der gütige Himmel erfüllet werden / Amen! Amen.


Hierauff öffnet sich der innerste Schauplatz / in selbigem stehet gleich von weitem der Friede / in weisser Seide gar köstlich bekleidet / eine güldene Krone auff dem Haupte tragend / in der einen Hand einen Oelzweige / in der anderen Fruchthorn ein (Cornu copiæ) haltend / auch sonst mit güldenen Ketten und Kleinodien herrlich gezieret. Es muß aber der Ort mit vielen Lichtern und Lampen hellgläntzend gemacht werden, üm den Frieden her stehen etliche gantz weiß bekleidete / auff dem Haupt bekräntzete / und in Händen Oel- und Palmzweige tragende Kinder / selbige erheben ihre Stimme gantz freudig / und singen alle / oder / nach deme es der Schauspieler gut befindet / nur eines /folgendes Lied / wozu fein heimlich und sanfft (damit man die Worte desto eigentlicher hören kan)

auff einer Klavicimbel oder Laute muß gespielet werden.
[275]

Hoffnungslied /


So von den Kinderen / welche üm den edlen Frieden her stehen / freudig wird gesungen.
[276]

1.

O Teutschland / grosse Königin /

Du schönstes Wunderwerck der Erden /

Steh' auff / leg' alles Trauren hin /

Dir soll und muß geholffen werden /

Bald trennen wir die Krieges Strikk'

Und zeigen dir den Friedensblik!


2.

Erkenne nur / was Wahremund

Auß reinem Hertzen hat gesprochen /

Das Büchsen machet dich gesund /

Durch Büchsen wird der Zorn gebrochen /

Bald trennen wir die Kriegesstrikk /

Und zeigen dir den Friedensblik!


3.

Frisch auff / das Wetter ist vorbey /

Das Donnerschaur ist übergangen /

O Königin / bald wirst du frey /

Bald sehen wir dich herrlich prangen /

Bald trennen wir die Kriegesstrikk

und zeigen dir den Friedensblik!
[277]

4.

Was Hoffnung dir hat vorgesagt /

Soll in der That erfüllet werden /

Du bist schon lang genug geplagt /

Hinweg ihr grimmige Beschwerden.

Bald trennen wir die Kriegesstrikk

Und zeigen dir den Friedensblik!


5.

Schau hie das allerschönste Bild

Des Friedens / welchen wir umringen /

Deß Friedens / der so süss' und mild /

Deß Friedens / welchen wir besingen

Jtzt trennen wir die Kriegesstrikk'

Und zeigen dir den Friedensblik!


6.

Was gilts / der tolle Mars muß fort /

Frau Friede wird in Teutschland kommen /

Sie stehet schon an diesem Ort'

Und zeiget sich zu Trost den Frommen /

Hinweg / hinweg ihr Kriegesstrikk /

Hie stehet schon der Friedensblik!


TEUTSCHLAND. Ach Hoffnung / allerliebste Schwester / Ach Wahremund / mein getreuster Freund / wie hertzlich werde ich durch diesen allersüssesten Friedensblik erquikket / dieses Trostlied ist kräfftig genug auch die allerbetrübteste Seelen zu erfreuen / ach möchte ich nur auff meinen Knien hinzukriechen / dem edelsten Frieden die Hände zu küssen / und für diese so hoch- und längsterwünschete Vertröstung Lob und Danck zu sagen.[278]

HOFFNUNG. Sey zu Frieden / großmächtigste Königin / die von GOtt bestimte Zeit wird bald heran kommen / in welcher der güldener Friede vollenkömlich sich wieder anhero wenden / und bey dir wird finden lassen / Hie wird an einer Seiten des Spielplatzes hinter dem Vorhange geschossen / getrumlet und geblasen. Aber / was höre ich dort für einen Lärmen? Jch dörffte schwehren / es sey niemand anders als der grimmige Mars.

TEUTSCHLAND. Fürwar der wird es seyn / Ach! lasset uns schleunig von hinnen fliehen / Sie gehen eiligst ab und wird der innerste Schauplatz geschlossen.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 271-279.
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