[35] MANFRED.
Wohlauf, die Rosse stehn bereit,
Ich komme, von dir zu scheiden.
Vorbei ist nun der Minne Zeit,
Nun soll das Schwert im heißen Streit
Blutige Rosen schneiden.
GHISMONDE.
Und ich, was soll ich hier?
MANFRED.
O brich die Frucht,
Die süße, in der Stunden Flucht,
Laß Tanz und Spiel sich jeden Tag erneuen;
Genieß, was nur das Herz dir kann erfreuen!
GHISMONDE.
Was ist Genuß? Schon bin ich übersatt,
Es ist verwelkt schon jedes Rosenblatt,
Die Lust ist verglüht,
Der prangende Garten verdorrt und verblüht,
Im Becher der Wein ist verduftet und schaal,
Krank ist mir das Haupt und das Herz zumal.
MANFRED.
Was willst du mehr?
GHISMONDE.
Wonach die Seele bebt:
Gib mir, was mich zu dir erhebt,
Gib mir die Krone![35]
MANFRED.
Ha, was forderst du?
GHISMONDE.
Du hast gerissen mich aus sel'ger Ruh,
Gerissen aus des Klosters stillem Frieden,
Das Heil zertrümmert, das mir war beschieden,
Ich trank den Becher, – weh', du gabst mir Schaum, –
Gib mir die Krone!
MANFRED.
Nimmermehr!
Sie schmückt dein Haupt, Helene, mein Gemahl!
Was hab ich dir gethan? Mit einem Mal
Auf dieses Herz nun fällt es bergeschwer.
Das reinste Glück, du hast es mir gegeben,
O laß dein Bild auf's Neue mich umschweben,
O laß dich halten, selige Gestalt!
Von heißer Regung,
Von inn'rer Bewegung,
Ach, wie das Herz mir tief im Busen wallt.
GHISMONDE.
Wie ist verwandelt er mit einem Mal?
Denkt er an sein verstoßenes Gemahl?
Denkt er des Glückes, das sie ihm gegeben?
Will ihn ihr Bild auf's Neu' umschweben?
Hinweg, du bleiche, trüg'rische Gestalt!
Von heißer Regung,
Von wilder Bewegung,
Ha, wie das Herz mir tief im Busen wallt!
Was sinnst du? Mach es wahr das Traumgesicht,
Die Nacht der Gräber umfing mich dicht,
Aus des Abgrunds Thor[36]
Da sah ich hervor
Rosengeschmückt dich steigen,
Da war mir, als sollt'
Sich minnehold
Dein Antlitz zu mir neigen,
Als müßtest du mir
Die goldne Zier
Der Krone entgegentragen.
MANFRED.
Nein, nimmermehr,
Ach, nur zu schwer
Muß ich mich selbst verklagen.
Helene, du mein traut' und süß' Gemahl.
Holdes Erinnern
Ruft mir im Innern
Neu wieder wach die vergangenen Tage,
Ach, mit tiefer, unendlicher Qual.
GHISMONDE.
Sie ist's, die in sein Herz auf's Neu' sich stahl,
Er denkt des Glückes vergangener Tage
Und überläßt mich meiner Qual!
Du rissest mich aus der Gräber Nacht,
Du lehrtest mich die Lust der Welt –
Und doch, – du hast mir alle Lust vergällt
Und hast mich elend nur gemacht!
Du gabst mir Schaum, – nun ist der Becher leer!
Gib mir Ersatz, – wonach die Seele bebt,
Was mich empor zu dir erhebt,
Gib mir die Krone![37]
MANFRED.
Nimmermehr!
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