Die Lampe

[52] Treue Gefährtin

Auf der Gedanken

Rastlos durchwandertem

Nächtlichem Pfad:

Dir will ich endlich

Ein lang gehegtes,

Dir will ich dankbar

Weihen ein Lied!


Wenn von der Seele

Finsterem Ringen

Weit mir entflohen

Der stille Gott,

Dann wie ein Pharus

Winktest du segnend mir

Zu des Gesanges

Erleuchtetem Pfad.


Denn aus der Tiefe

Drängt sich und hebt sich

Wer sich gegeben

Dem ewigen Licht,

Und es umschlingen ihn

Erdendämonen,

Sorgen und Schmerzen,

Drohend umsonst.
[53]

Stolz wie der Adler

Zum Wolkenhause

Des ewigen Vaters

Die Flügel hebt:

In blitzgewohnten

Sicheren Fängen

Führt er zum Aether

Der Jugend Bild:


So aus der Nächte

Dampfendem Chaos

Ringt sich die Seele

Gestärkten Flugs;

Mit der geraubten

Ewigen Jugend

Hebt sie zum Licht sich

Athmend empor.


Unter ihr wälzen sich

Völkergeschicke,

Kämpfe der Edlen

Um Licht und Recht.

Ob auch erliegend

Der Mißgunst Pfeilen,

Palmen umkränzen

Des Siegers Haupt.


Denn seit der erste

Gewaltige Dulder

Siegreich büßte

Den Flammenraub,[54]

Hält fest am Kampfe,

An seinem Rechte,

Dem uralt ewigen,

Wagend der Mensch.


Hat er aus Funken

Des Gottheitlichtes

Sich neu geschaffen

Seine Welt:

Leben nun muß sie!

Ob Tausende fallen,

Sie kann nur wachsen,

Nicht untergehn.


Geschlechter welken,

Und wähnten trunken

Im reichsten Lichte

Gewandelt zu sein,

Und neue Geschlechter

Sehn zu den Vätern

Wie in die Dämmrung

Lächelnd zurück.


In volleren Zügen

Muß alles Kommende

Trinken des Lichtes

Ewigen Quell.

Licht ist die Wahrheit,

Licht ist die Schönheit,

Licht ist des Lebens

Heiliger Keim.
[55]

Der Funke selbst,

Der still die Lampe

Des einsamen Dichters

Nächtlich erhellt,

Vom Ewigen stammend

Laßt er den Liedeston

Flammend sich gießen

In's Meer des Lichts.


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 52-56.
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