Sibenter Auftritt

[21] Christus. Martha. Magdalena. Maria.


CHRISTUS.

Der liebe frid, und gottes seegen

Woll reichlich dises haus belegen.

MARTHA.

O herr! sey tausendtmahl willkommen,

Das du den weeg anher genommen,

Ihr liebste jünger ebenfahl

Seyt mir gegrüßt zu tausendtmahl.[21]

Ach! liebster gast kunt ich nur zeigen,

Wie sehr ich dir, und deinen eigen,

Befehle nur, was dir abgeht,

Mein ganzes haus zu diensten steht.

Ein glükh! das wür dich gleich zu laben,

Den tisch schon zu bereithet haben.

Sez dich indessen bis ich sech,

Das alls nach deinen willen gschech.


Abit.


CHRISTUS.

Ach liebste stadt Jerusalem!

Wär ich auch dir so angenehm!


Sedet ad suis.


MAGDALENA.

O herr! Verschmäche nicht die thrennen

Der stätts betrübten Magdalenen.

Sie zeigen, das ich annoch bin

Dein fest geschworne dienerin.

MARIA.

O Sohn! o deiner mutter leben,

hat endlich noch der himmel geben

Das ich von so vill tägen an

Dich widerum umarmen kan.

Kanst du wohl glauben, was vor sorgen

Der Juden Neyd von ersten morgen

Den ganzen tag, bis in die nacht

Mir wegen deinen heyl gemacht?

Ich weis, sie suchen aller orthen

Dich o mein Jesu zu ermordten,

O bittre quall! o härbe stundt

Die mir in dir mein herz verwundt.

CHRISTUS.

Ach liebste mutter laße fallen,

Dise angst und dise quallen,

Es ist noch nicht an der zeith

Das ich vor den menschen leydt.

MAGDALENA.

O herr! so laß bey deinen füssen

Auch mich noch einen trost geniessen,

Erlaube mir aus wahrer reu,

Aus meiner dir geschwornen treu,

Erlaube, sprich ich, allenthalben

O herr! dein heyligs haubt zu salben.


Salbet ihn.
[22]

CHRISTUS.

O Magdalena deine treu

Ist gros, und macht dich schulden frey.

Thue nur, was dich dein eyfer lehret,

Und deine lieb von dir begehret,

Dan wer vill liebt, erlanget vill,

Weil er dardurch bezahlen will.

JUDAS.

Die büsserin hat vill verschwendet,

Und hätt es besser angewendet,

Wan sie die salb hätt uns verehrt,

So wär dardurch das geldt vermehrt.

Ein jeder hätt uns, auf mein leben,

Mehr als 300 pfening geben.

Wie vill der armen hätten brodt,

Umb dises geldt in ihrer noth?

Jetzt ligt ohn nuzen, ohn erspriessen,

Und kans auch niemand mehr geniessen.

Die so kostbahre Specerey,

Sagt, ob diß kein Verschwendung sey?

CHRISTUS.

Mein Judas! und ihr liebste jünger

Schäzt mich der armen nicht geringer:

Sie hat ein werkh der lieb gethan,

Das niemandt billich schelten kan.

Pflegt man den leichnamm nicht zu salben

Vor der begräbnus? derohalben

Ein jeder leicht aus dem erkennt,

Wie wohl diß öll sey angewendt.

Die arme habt ihr allerzeithen,

Zu milder gab an eurer seithen,

Mich aber, wan ich werde gehn

Werdt ihr so zeitlich nicht mehr sehn.

Dahero thuet sie nicht bestraffen,

Sie thatte so vill guts verschaffen,

Das dises werckh zu ihrer zirdt,

Die ganze weldt bewundern würdt.

MAGDALENA.

Wie herr! du redest noch von sterben?

Ach! laß uns doch die gnad erwerben,

Und bleibe dise Osterzeit

Allhier bey uns in sicherheit.

Was willst du doch dich und dein leben

Freywillig denen mördren geben?[23]

CHRISTUS.

Mein kind! ich mus des Vatters willen

Wan es die zeith gebieth erfüllen,

Und wie durch der Propheten worth

Die zeith bennenet, und das orth,

So werden auch die Juden trachten

Des menschen Sohn am Creuz zu schlachten,

Ich gebe mich auch willig drein,

Und werd der weldt Erlöser sein.

Kan dir wohl auch anbey gestehen,

Die stund sey nach im todt zu gehen.

MARIA.

Wie, liebster Sohn was mus ich hören?

Kanst du wohl noch von mir begehren,

Das ich mich nicht vor leyd entrüst,

Da doch die stund so nahe ist?

MARTHA.

Herr! das mein schwester dir zu füessen

Nichts als die zäher thuet vergiessen,

Und lasset mich nun ganz allein,

In stätter sorg, und arbeith sein?

Sie thätt ja besser auch zu weilen

Mit mir die hausgeschäfften theilen,

So kunt die sach vill leichter gehn,

Und dir ein größrer dienst geschehn.

CHRISTUS.

Da sich dein Schwester mir gesöllet,

Hat sie den besten theil erwöhlet,

Den ihr von disen stunden an

Kein feindt, kein macht benemmen kan.

Mein Martha! du bist von fruh morgen,

Bis auf die nacht zu sehr in sorgen,

Jedoch es ruffet mich die zeith,

Das ich von eurer wohnung scheidt.

Mein mutter thue den schmerzen hemmen,

Ich komm, und werd noch urlaub nemmen.

MARIA.

Ach sohn! auch dises dein versprechen

Thuet mir mein banges herz zerbrechen.

O Urlaub! Zentner schwäres worth!

Das mir die seel im leib durchbohrt.[24]

CHRISTUS.

Stell nur ein zeith die klagen ein,

Ich werd bald widrum bey dir sein.

Sag danckh umb alles was wür gnossen,

Auch umb das öll, das du vergossen.

Weil ich durch diß zu meinen grab

Von dir die zu bereittung hab.

MAGDALENA.

O meister! wie ist mir zu herzen!

MARTHA.

Du gehest? ah! was herber schmerzen!

MARIA.

O Sohn! der Juden hasß, und neyd

Stürzt mich und dich ins höchste leyd.


Ab.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 21-25.
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