Dritter Auftritt

[37] Christus. Maria. Martha. Magdalena. Salome.


CHRISTUS allein ad. Dis.

Befor wür uns von hier erheben,

Und nach Jerusalem begeben,

Allwo man uns auf dise zeit

Das Osterlamb schon zu bereith,[37]

Will ich mein mutter noch begrüßen,

Und meinen urlaub kurz beschließen.

Geht nur voraus, ich folg sogleich,

Und werd baldt widrum sein bey euch.


Die jünger gehen ab.

Ad Spectatores.


Ach, liebste mutter was vor leyden

Wird dir nicht bringen dises scheyden,

Dan, wo die lieb so hefftig brennt,

Da hat der schmerzen auch kein end.

MARIA mit denen andren Frauen.

Wie? kan ich dich mein kindt! hier sehen,

Ohn das dir noch ein leyd geschehen?

Dem himmel seye danckh gesagt

Der vor dich so vill sorgen tragt.

CHRISTUS.

Er sorgt so lang es ihm beliebet,

Und keinen vor der zeith betrübet,

Kommt aber in der zeit ein pein,

So mus man halt gedultig sein.

Man hätt sich längst an mir gerochen,

Doch war die stund nicht angebrochen,

Jezt aber ist sie würckhlich da,

Und rufft mich von Bethania.

MARIA.

Hilf himmel! was mus ich anhören?

Kanst du o Sohn! wohl diß begehren,

Das ich lebendig sollte sehn

Dich in den todt und Marter gehn?

Du weist ja, wie sehr ich dich liebe,

Du weist, wie mich dein schlus betrüabe,

Kommt dir dan gar nicht mehr zu sinn,

Das ich dein treue mutter bin?

Dein mutter, die dich hat erzohen,

Die mit dir jenem grimm ent flohen,

Mit dem Herodes dich verflucht,

Und zu dem mord hat aufgesucht.

Ich hab dich damahls noch gerettet,

Das dich die henker nicht getödtet,

So zeig nunmehr auch deine pflicht,

Bleib hier, und tödt dich selber nicht.[38]

CHRISTUS.

Glaub, liebste mutter! das mein leyden

Den anfang nimbt in disem scheyden

Glaub disr urlaub fahlt mir schwär,

Weil ich dich über alles ehr.

Doch ist es zeith des Vatters willen

Nunmehro würckhlich zu erfüllen,

Weil du mich nur zu disem last

Gebohren und erzohen hast.

Drum thue der quall nicht unterligen,

Thu dich grosmüthig selbst besigen,

Du weist ja gleich von anbeginn,

Das ich ein Sohn des schmerzens bin.

MARIA.

Nun wirckhlich schon mein seel empfindet,

Was Simeon mir angekündet,

Das gleich ein degen mir das herz

Durch bohren wird der gröste schmerz.

Ach! liebster Sohn! wie kans geschehen,

Das ich dich soll das leztmahl sehen?

Und diß ohn bittre herzens pein?

Ich müste nur kein Mutter sein.

Soll mich dein scheiden nicht betrüaben,

So müßt ich dich nur gar nicht lieben,

Diß aber ist so weith von mir,

Als ich villmehr gelebt in dir.

CHRISTUS.

Ich kenn dein lieb und habs erfahren,

Nun mehr bey drey und dreyßig jahren,

Du sichst auch wie ich selbst beweinn,

Das ich nicht kan erkantlich sein.

Doch wirst du schon die zeit erleben,

In der ich dir zurukh kan geben

Was ich dir aus des Vatters schlus

Nun mehr an mir entziehen mus.

Ich mus dich hier ein zeith verlassen,

Und das bestimmte Creuz umfassen,

Ergib dich also auch der zeith

Und weiche der ohnmöglichkeit.

MARIA.

Ich weis, das du die schuld aus allen,

Alleinig kanst, und must bezahlen,

Ich weis, das mir der menschen sünd

Nunmehro raubt mein göttlichs kindt.[39]

Doch, lasse mich die gnad erwerben,

Das ich auch mit dir könne sterben.

Dan einmahl, hab ich dich nicht mehr,

Fält mir das leben allzu schwär.

Es braucht sodan allhier kein scheyden,

Ich geh behändt mit dir ins leyden.

Ich förchte keine Juden rott,

Und geh getröstet in den todt.

CHRISTUS.

Nein, liebste mutter! disß begehren,

Kan ich dir nimermehr gewehren,

Weill dir das aufgestekte zill

Mein Vatter nicht abkürzen will.

Drum lasse dich von deinen sinnen,

Nicht allzu sehr im leyd gewinnen,

Stell die vergebne thränen ein,

Und denckh mit mir, es mus so sein.

MARIA.

O Vatter himmels und der erden!

So kan ich nicht erhöret werden?

Ach Sohn! du gehst in deine pein,

Und kanst mit mir noch grausam sein?

Verzeihe, dan ich red aus schmerzen,

Und weis nicht, wie mir ist zu herzen,

Disß aber weis ich dannoch wohl,

Das ich aus lieb auch sterben soll.

Ich mus zwahr freylich auch gestehen,

Des Vatters willen müß geschehen,

Ich bett ihn auch beständig an,

Und niemahls widersprechen kan.

Doch ist mein lieb nicht zu verdencken,

Die deine pein so sehr thuet kräncken,

Ich lieb dich, wie ich lieben muß,

Drum ist mein leyd im überflus.

CHRISTUS.

Disß leyd wird dir mit himmels Cronen,

Mein Vatter dermahl einst belohnen,

Ja mit der freyd wird dise pein

Nicht einmahl zu vergleichen sein.

Drum gebe zu, und dich bequemme,

Das ich jezt meinen abschid nemme,

Dir danckhe vor den sorgen last,

Den du mit mir getragen hast.

Ich danke dir vor alls bemühen,[40]

Mit welchen du mich thattst erzihen,

Es ist geschehen vor das heyl,

Das dir und allen werd zu theil.

MARIA.

Ach Sohn! du kanst aus meinen thränen

Genugsam meine worth erkennen,

Dan dise zu betrübte stund

Bindt mir die zung in meinen mund.

MARTHA.

Ach Meister! Wer soll hier nicht müssen

In einen zäher bach zerflüssen.

Ich bin der schmerzen allzuvoll,

Und weis nicht, was ich reden soll.

MAGDALENA.

Mein Jesu! ich mit meinen sinden

Kan gar des leyds kein end nicht finden.

Ich soll anfülln ein ganzes meer,

Ach! wo nimm ich gnug zäher her?

SALOME.

Wer kan bey disem urlaub nemmen

Wer kan wohl seinen schmerzen hemmen?

Ich bin wahrhafftig nächst daran,

Das ich gar nicht mehr leben kan.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 37-41.
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