Achter Auftritt

[98] Christus. Caiphas. Haubtmann. Kriegsvolckh. Samuel. Rebi. Achaläus. Rabbi. Salomon. Nathan.


Hochwürdigs Briester haubt! Vor allen

Nach unsrer pflicht dir zu gefallen

Hat unser fleis und krieges macht

Den böswicht endlich eingebracht.

Hier steht der neue Secten lehrer

Der allgemeinen Ruh zerstörer,

Hier stehet nun in schand und spoth

Der eingebildte affter gott.

CAIPHAS.

Ist endlich dise stund anbrochen,

Die uns ein solche beuth versprochen?

Jedoch wer hat ihn überschikt,

Und ihn zu sehen mich beglükt?

REBBI.

Dein Schwäher Annas wollte haben,

Du sollst dich auch an ihne laben,

Wan doch sein stolz der sonst verhaßt,

Dich ein ergözung fassen last.

CAIPHAS.

Die zeugen, so wür hier vernemmen

Die werden seinen stolz bald hemmen,

Er wird mit uns aus seinen lehrn

Selbst unerhörte wunder hörn.

So stellet dan mit grund die klagen,

So ihr beschlossen vorzutragen,

Damit ihm allhier vor gericht

Sein recht nach dem verdienst geschicht.

ACHALÄUS.

Ich thue mein treu und ehr verpflichten

Das ich bey disem Rhat mit nichten[98]

Etwas vor ihm bezeigen woll,

Das sich nicht wahr befinden soll.

Will also von dem gar nichts melden,

Was alls an seiner lehr zu schelten,

Womit er so vill volckh verblendt,

Und vom gesaz hat abgewendt.

Womit er Euer lehr, und würden

Der Priesterschaft so treue zirden

Auf nicht erhörte arth gekränckt,

Und unter seine macht versenckt.

Meld also nur von dem versprechen,

Den templ gottes abzubrechen,

Und in 3 tägen nach gebührn,

Den bau aufs neue aufzufihrn.

Ist dises nicht ein frechs beginnen,

Das schwache volckh nur zu gewinnen,

Damit es auf so große streich

Von unseren gesaz abweich.

RABBI.

Sollt dise klag noch nicht erkleken,

So sezt uns noch mehr in schröcken

Was er mit unverschamter thatt

Sich ferners unterstanden hat.

Der Kaysers Cron thätt er nach streben,

Vor unsren König sich aus geben,

Sagt immer er sey gottes sohn,

Gestigen von dem himmels thron.

Thätt stätts von unsrer pflicht abweichen,

Verbott dem Kayser zins zu reichen,

Damit er als ein milder herr

Dem volckh nur angenehmer wär.

Ja thätte sich sogar anmaßen,

Da wür bey unsren wechsl saßen

Mit streichen sich an uns zu wagn,

Und aus dem templ auszujagn.

Er wollt dorth keinen kauf verstatten,

Den wür doch zu dem opfer hatten.

Sagt offentlich ohn allen scheu

Das diser nur sein betthaus sey.

Zu dem ist öffters auch geschehen,

Wie ich es selbsten hab gesehen,

Das er geheylt in teuffls nahm

Was blind war, oder krum, und lahm.

Wan man nun disem hochverbrechen,

Will ihr gebührend Urtheil sprechen,[99]

So sicht ein jeder selbsten wohl,

In wem der schlus bestehen soll.

CAIPHAS zu Christum.

Wie steht es nun? hast du vernommen,

Was wider dich da vorgekommen?

Kanst du wohl hier aus uns allein

Als der beklagte ruhig sein?

Den Kayser zu verdringen suchen,

Gott durch das größte laster fluchen,

Das Volckh durch falsche affter lehren

Von dem gesaz, und uns abkherren

In dreyen tagen sich getrauen

Ein neuen templ aufzubauen,

Gewaltig auf die wechsler schlagn

Und selbe aus dem templ jagn,

Ins Belzebub verfluchten nammen

Den blinden, krumpen, und den lahmen

Den vorigen gesundt ertheiln,

Und nur mit zauberkünsten heyln.

Sag, was seind dise vor Verbrechen,

Kanst du wohl etwas widersprechen?

Ablehne, dan ich hab gedult,

Die dir mit grund erwisne schuld, –


Christus schweigt.


Laß mich nicht öffters dich befragen,

Und thue sogleich ein antworth sagen.


Christus schweigt.


Wie? willst du mir kein antworth gebn

Da es doch kost dein eignes lebn?

SALMON.

Da eines lehrers und Propheten,

Im templ du die stell vertretten,

Wie kommt es das hier vor gericht

Dein mund so gar kein worth mehr spricht?

NATHAN.

Wo alles sonnen clar beschaffen,

Wie soll er seine kläger straffen?

Sein schweigen zeigt ja selbsten an,

Das er sich nicht entschulden kan.[100]

REBI.

Wie soll er sich dan würdig achten,

Mit dir zu reden? in betrachten

Das er der wahre gottes sohn,

Dem nur gebührt die himmels Cron.

CAIPHAS.

Ich thue dich dan bey deinen lehren

Bey dem lebendign gott beschwören,

Sag, ob du was das gröste ist,

Wohl Christus der sohn gottes bist?

CHRISTUS.

Du hasts gesagt: jedoch bey zeigen

So sich nach keiner wahrheit neigen

Find ich kein glauben, dan allhier

Glaubt man nichts alls betrug in mir.

Doch wird des menschen sohn sich schüzen

Und zu der rechten gottes sizen,

Ihr werd ihn dermahleinsten sehn

Auf einer großen wolckhen stehn.

Wan er am lezten tag wird kommen

Sowohl den bösen als den frommen,

Zu geben den verdienten lohn,

Im feyer oder himmels thron.

CAIPHAS.

Was brauchen wür hier mehrer zeugen,

Sein hochmuth kan nicht höcher steigen,

Habt ihr gehört die frevel thatt

Durch die er gott gelästret hat?

Was dunket euch auf diß Verbrechen,

Thuet selbsten hier das Urtheil sprechen,

Hat er nicht ohne gnad, und huldt

Durch disen greul den todt verschuldt?

ALLE.

Ja, ja er hat den todt verschuldt.

CAIPHAS.

Indessen thuet mit ihm verfahren,

Und in dem kerker wohl verwahren,

Kaum wird die sonn am himmel stehn,

Werd ich selbst zum Pilatus gehn.


Gehen auseinander.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 98-101.
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