[3. Betrachtung]

[107] SCHUZGEIST.

Ja, sünder seid ihr all, und könnt es nicht verneinen,

Doch wollen alle nicht mit einem Petro weinen.

Sie fassen zwahr ein reu, doch welche zimlich schwach,

Drum gehen sie so gleich der alten bosheit nach.

Ein solche reu ist offt gar keine reu zu nennen,

Und kan den sinder nicht mit seinen gott versöhnen.

Weill er das ganze herz zu seinen liebes zihl

Und nicht das halbe nur vom sinder haben will.

Wan ihr dan sinder seydt, so könnt ihr leichtlich schlüeßen

Das selbe lediglich mit Petro abzubüßen.

Dan wird das himmelbrodt euch zu dem ewign leben

Wan ihrs genüßen werd, die wahre kräfften geben.

Habt ihr die gröste sind, die meriste aus allen,

So müßt ihr dessentwegn in kein verzweiflung fallen,

Weill gott dem jenen nicht sein huld und gnadt versagt

Der zu ihm ruffen thut, und das vertrauen tragt.[107]

Kein sinder ist so gros der nicht kan sicher hoffen,

Es stehe ihm zum schuz die seithen Jesu offen.

Das sich an stamm des Creuz in kurzen zeigen wird,

Wan nur des sinders herz ein wahrer schmerzen rührt.

Laßt euch nur von dem fahl des Judas nicht erschröken,

Ja euch dardurch villmehr zur wahren bus erweken.

Dan ihr habt einen gott von welchen ihr vergwißt,

Das er den büßenden mild, und barmherzig ist.

Kein sind ist welche ihm aus allen so verlezet,

Als wan man seine gnad ganz außer hoffnung sezet,

Und also seiner seel die zeith zur buß abkürzt,

Ja wider seinen willn sich in den abgrund stürzt.

Ein Cain nach den bruder mord ist eben so gearthet,

Er meinte, das im jeden orth die rach ihn schon erwarthet.

Er glaubt, er könne lebenslang von gott kein gnad erbitten,

Drum hat er auch den untergang aus eigner schuld erlitten.

So wird es eben auch dem Judas noch ergehen,

Ihr werdt ihn außer sich in der verzweiflung sehen,

Dan ob gleich seine sünd in seinen willn steht,

So bleibt sein willen doch, wan er verlohrn geht.

Er wust, und hörte ja auf seines meisters lehren,

Das jeder sinder könn zu ihm zurükekheren,

Er nemm ihm willig auf: und sey kein sind so gros,

Die nicht durch wahre reu könn werden schaden los.

Man sech nur den verwundten an allhier auf offner straßen,

Und wie ihn der Samaritan gepflegt, und pflegen lassen.

Er güßt das beste öl und wein in die versezte wunden,

Und hat sich ihn recht ungemein mit selben auch verbunden.

Die seel wird sehr verwundt durch vill und schwäre sinden,

Kommt der Samaritan, so wird er sie verbinden,

Der göttlich seelen arzt nimmt sich des kranken an,

Weill er doch allzeit will, und allzeit helffen kan.

Es liget nur an dem das man auf ihn vertrauet,

Und auf sein macht und lieb von ganzen herzen bauet,

Hiebey mus man ihm doch den zustand nicht verhüllen,

Und durch ein offne reu sein eigne pflicht erfüllen.

Wie war nicht das verlohrne kindt mit schulden überladen,

Doch kamm es nach bereuter sindt beym Vatter gleich zu gnaden,

Er küßt den sohn, umarmet ihn als wär er nie verlohren,

Ja würckhlich kommet ihm zu sinn, er sey ihm neu gebohren.

Du sinder bist das kind, das durch die sünd verlohren,

Kherst dan in reu zuruckh, so wirst du neu gebohren.[108]

Dein gott vergißt der schuld, er handlet vätterlich,

Lauf nur in seine händ er selbst umarmet dich.

Betracht sodan wie gott, und seiner seel vergessen,

Nur die verzweiflung sich ein Judas werd bey messen.

Sollst du ihm an der sind auch überlegen sein,

So eyle nur zu gott, und mit dem Petro weinn.


Gehen ab.


Anmerckung


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 107-109.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Wolken. (Nephelai)

Die Wolken. (Nephelai)

Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon