[175] Maria. Philippus. Andräas. Thomas. Joannes. Simon. Bartholomäus. Jacobus ¸. Jacobus m. Mathias. Thadäus.
MARIA zum Thomas.
Dem ambt, so man dir aufgetragen,
Thue dich nur ferners nicht entschlagen,
Obwohl es Judas so entehrt,
So ist es deiner gleichwohl werth.
Ach Judas! ach was bittern schmerzen
Bringt deine thatt nicht meinem herzen?
Du machtest, und dein falscher kus,
Das ich mein kindt verlihren mus.
Sagt, ist das Urtheil schon gesprochen?
Ist der gerichts stab schon gebrochen?
So findt die unschuld gar kein gnad?
Wie? eylt man schon zur schedlstatt?
PHILIPPUS.
Pilatus ist des schrökens wegen
Dem Rhat doch endlich unterlegen,
Und hat ein Urtheil abgefaßt,
Das Jesum nicht mehr leben laßt.
ANDREAS.
Das Creuz hat er ihm zuerkennet,
Obwohl er ihm unschuldig nennet,
Damit der Juden Mordt-geschrey
Ihm nicht mehr überlästig sey.
MARIA.
Ach! liebster gott! wie kanst du sehen,
Dein eignen sohn den Creuzweeg gehen,
Nun ists an dem das mir das herz
Gleich wie ein dolch durch bohrt der schmerz.
Doch herr! dein will geschech auf erden,
Dir opfre ich all mein Beschwerden,[175]
Lasß dir gefallen meine pein,
Sonst wurd ich ja kein Mutter sein.
SIMON.
Noch thätt ich allzeith hoffnung fassen,
Jezt aber hats mich ganz verlassen,
Der Meister geht schon in dem todt,
Ach! Brüder! ach! behüeth uns gott.
BARTOLOMÄUS.
Angst, schmerzen, züttren, forcht und schröken
Thuet diser todt in mir erweken.
Ist mit dem hürten nun geschehn,
So wirds der heerd nicht besser gehn.
JOANNES kommt herein.
Ach Jammer! ach wer kan die peinen
So Jesus leydt genug beweinen,
Ich sache, wie ihm jezt zur burd
Der Creuz blockh aufgeleget wurd.
Er mus es selbst zur richt statt tragen,
Und tragt es ohn sich zu beklagen,
Der Zug ist würkhlich vor dem haus
Man schlept ihm zu der statt hinaus.
MARIA.
Wie? ist es würkhlich schon an deme,
Das man den weeg zur schlachtbanckh nemme?
JOANNES.
So ist es.
MARIA.
Laßt mich also gehn,
Ich mus ihn noch lebendig sehn.
JACOBUS ¸.
Acht wo willst du dich hinbegeben?
JACOBUS M.
Besorge doch dein eignes leben.
MATHIAS.
Villmehr in dir auch uns verschon,
THADÄUS.
Man haßt die Mutter wie den sohn.
MARIA.
Nein: so lang er wirdt athem fasen,
Werd ich ihn nimmermehr verlassen,[176]
Ist er entseelt vom lezten stosß,
Begrab ich ihn in meine schosß.
Mein Jesu!
Gehet ab.
JOANNES.
Laßt mich sie bekleiten,
Gehet ab.
THOMAS.
O übergroße Bitterkeiten,
Wer nicht gebildet ist aus stein,
Der komm mit mir, und herzlich weinn.
Schlagen die händt zusammen, und gehen ab.
Buchempfehlung
Während seine Prosa längst eigenständig ist, findet C.F. Meyers lyrisches Werk erst mit dieser späten Ausgabe zu seinem eigentümlichen Stil, der den deutschen Symbolismus einleitet.
200 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro