Fünffter auftritt

[191] Rabbi, und Amos zu denen Vorigen.


RABBI.

Wür kommen ohn verrichter sachen,

Pilatus will kein ändrung machen,

Der Mann ist wahrlich so entrüst,

Das mit ihm kaum zu sprechen ist.

AMOS.

Was er geschriben, bleibt geschriben,

Bey disen schlus ist er gebliben,

Und sagte uns des eyfers voll,

Das man hier nichts mehr sprechen soll.

CAYPHAS.

Hat endlich so vill nicht zu sagen,

Wür können dises noch wohl wagen,

Weill, was ihn jezt so sehr entrist,

Der Urthl nun vollzohen ist.

NATHAN.

Wie? willst du noch vom Creuz nicht steigen?

Und uns allhier dein gottheit zeigen,

Sech doch, wie jedermann so harth

Auf dises wunderzeichen warth.

JESMAS der lincke schächer.

Du thättest ja beständig sagen,

Du thuest die gottheit mit dir tragen,[191]

Bist Christus du der wahre gott,

So hilff dir, und uns aus der noth.

DISMAS.

Auch du mit denen Juden Rotten

Getrauest dir allhier zu spotten,

Und förchtest dir gar nicht vor Gott,

Der du zugleich verdammt zum todt?

Den todt wür billich habn verschuldet,

Den diser Man ohn schuld erdultet.

Er leydet, da er nichts gethan,

Und wür seindt gleichfahls schuld daran.

Herr dem allhier kein Macht benommen,

Gedenckh an mich, wan du wirst kommen

In jenes Reich von dem du bist,

Das ober denen sternen ist.

CHRISTUS.

Ich habe deine bitt erhöret,

Von nun an sey sie dir gewehret,

Heuth nach erlittnen todtes schweis

Wirst mit mir sein in Paradeys.

HAUBTMANN.

Nun gib ich glauben was er sagte:

Da ihm Pilatus kürzlich fragte,

Und er bekente ohne scheu,

Das von der weldt sein Reich nicht sey.

MARIA trittet auf der rechten, und Joannes auf der linken seithen zum Creuz Christi.

O Jesu! du wirst ja indessen

Hier deiner Mutter nicht vergessen,

Die, weill man dir das leben nimmt,

In einen Meer der schmerzen schwimmt.

CHRISTUS.

Weib! den statt meiner ich benenne,

Joann vor deinen sohn erkenne.

Joannes! hör den willn von mir,

Sech gleichfahls deine Mutter hier.

AMOS.

Jezt ist das testament schon fertig,

Was ist man weithers noch gewärtig?

Das ist mir wohl ein armer gott,

Bey dem nichts als die liebe noth.[192]

RABBI.

Wer soll an jene gottheit glauben,

Der kan der todt das leben rauben?

CHRISTUS.

Mich dürstet ohne unterlaß,

Ach! gebt mir doch zu trincken was.


Momus reicht ihm zu trinken.


CAYPHAS.

Man reiche ihm auf einer stangen

Was er noch thuet von uns verlangen,

MOMUS.

Drinckh essig, gall, und Mührren Wein

So komst bald ab der Marter pein.

Wie? ist dir schon der lust verschwunden?

Da du so großen durst empfunden?

NATHAN.

Er ringt schon würckhlich mit dem todt,

Und lechzet in der lezten Noth.

CHRISTUS.

Eloi! Eloi!

Mein gott! Warum hast mich verlassen?

RABBI.

Secht! er verzweiflet aller maßen.

Und rufft umb hilff Eliam an,

Weill er sich nicht mehr helffen kan.

AMOS.

Nun wolln wür sehen ob aus den Nöthen,

Elias komm ihn zu erötten.

CHRISTUS.

Alls ist nunmehr vollbracht, erfüllt,

Wohin des Vatters willn gezihlt.

CAYPHAS.

Ihr Juden hört wie er bekennet

Sein seel werd von dem leib getrennet.

Ob er sich gleich genennet gott,

So ringt er dannoch mit dem todt.

Und mus sein lasterfolles leben,

An dem verschmächten Creuz aufgeben,

CHRISTUS.

Nun Vatter ich in deine händt

Befehl mein geist, das lebens endt.


Christus neiget das haubt.[193]


Sibender Chor


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 191-194.
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