Sibender auftritt

[211] Pilatus. Cayphas. Annas. Der Haubtmann.


PILATUS.

Ja ja, der schlus ist leicht zu machen,

Das euch nicht wohl bey euren sachen,

Wer sein gewissen hat zum feind,

Der ist des argwohns bester freindt.

CAYPHAS.

Wo es an seinen grund nicht fehlet,

Da ist der argwohn wohl bestellet,

Da trachtet er zu seinen zihl,

Weill er vorsichtig handlen will.

PILATUS zu dem Haubtmann, der mit denen Soldaten hervor tritt.

Kommst eben recht: hör ihr begehren,

Das ich zum abschidt will gewehren,

Vier Mann gib ihnen, die sie wolln,

Das sie das grab verwachen solln.

HAUBTMANN.

Weill dein Befehl dahinn thuet gehen,

So sollen sie zu diensten stehen.


Ziecht 4 Mann heraus.
[211]

Hier seindt 4 Männer zu der wacht,

Auf die ihr euch die Rechnung macht.

ANNAS.

Wür nemmen sie in soldt, und pflichten,

Mithin seind sie diß zu verrichten

Verbunden, was von ihrer treu

Sie wissen, das uns angnemm sey.

PILATUS.

Ja, keiner soll sich unter stehen

Von euren willen abzugehen,

Befehlet ihnen, wie ihr wollt,

Sie stehen in eurer pflicht, und soldt.


Die Juden gehen ab mit denen 4 soldaten.


Ach! das sie doch mit neuen klagen

Mich so beschwerlich nicht mehr plagen,

Sie bringen mich so weith daran,

Das ich sie nicht mehr hören kan.

Sag du villmehr, was an den sachen,

Die man so wundervoll will machen,

Und sich ereignet allerseiths

Da er gestorben an dem Creuz?

HAUBTMANN.

Man kunte dir so vill nicht sagen,

Als sich noch mehrers zugetragen,

Longinus sollte ja allein

Ein wahrer zeug der wunder sein.

Ich meines orths bereu mit thrennen

Das ich so unverschamt den jenen

Veracht, gelästert, und gespott,

Der doch mein wahrer herr, und gott.

PILATUS.

Genug: Man hat mich ja gezwungen

Und dises Urtheil aufgetrungen,

Ich muste sprechen wider willn.

Wollt ich doch ihre aufruhr stilln.

Ich kunt aus seinen thun und lassen

Niemahlen ein Verbrechen fassen,

Ich thatt an ihm, was ich nicht sollt,

Weill es die Juden so gewollt.

Man thatt mir mit dem Kayser trohen,

Damit ich dessen grimm entflohen,

Hab ich auf das, was sie beklagt

Das Urtheil ihnen zugesagt.[212]

HAUBTMANN.

Indessen hat doch der gelitten,

Vor den die Unschuld stätts gestritten,

O gott! und ich war auch so blindt,

Verzeihe mir doch meine sindt.

PILATUS.

Auch ich bereu mein übereylen,

Und thue mit dir den schmerzen theilen,

Weill mein Verfahrn des Kaysers gnad

Aufs höchst dardurch beleydigt hat.

Er wird mein urtheil stätts verfluchen,

Und selbes zu bestraffen suchen,

Weill er nur auf das laster blüzt,

Hingegen stätts die unschuld schüzt.

HAUBTMANN.

Des Kaysers zorn in disen sachen,

Thuet mir gar keine sorgen machen,

Wan nur, das ich mit gott versöhnt

Mir sicherlich versprechen könnt.

PILATUS.

Pilate! wie wirds dir ergehen,

Wan du dich wirst in ungnad sehen,

Wan dich zur Rächenschafft begehrt

Dein Kayser, der dich so beehrt?

Wo wirst du eine aus flucht nemmen?

Wie wirst du seine Rach keull hemmen?

Dein ambt wird dir vor deinen lohn

Gereichen nur zum spoth, und hohn.

Wo wirst du sein ein hausgenossen,

Wan du ins ellendt bist verstoßen?

Wo hast sodan ein sichres tach,

In deinem gramm, und ohngemach?

Pilate! ach was sorg, und schaden,

Hast du dir auf den hals geladen!

HAUBTMANN.

Verfolgt mich gleich des Kaysers wuth,

Bleibst du doch gott mein höchstes gut.

Mein Jesu! ja es ist beschlossen,

Hast du vor mich dein bluth vergossen,

Will ich dem Mord nicht widerstreben,

Auch meines dir zur Zeugnuß geben.

PILATUS.

Mich unglickseeligsten auf erden![213]

HAUBTMANN.

Ich will im himmel glickhlich werden.

Mein leben soll sein ein stätte bus!

PILATUS.

Ach kayser! Ach Tiberius!


Der Haubtmann gehet auf einer Pilatus auf der anderen hinein.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 211-214.
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