Fünfter auftritt

[231] Joannes. Petrus. Magdalena. Maria Jacobe: Maria Salome. 2 Engl. Christus.

Wird aufgezohen: die 2 Engl stehen aber nicht beym grab.


JOANNES.

Der frauen redt hat eingetroffen,

Ich sech die grabstatt selbsten offen,[231]

Und finde hir an disem orth

Die wahre Zeignuß ihrer worth.


Schauet in das grab.


Es scheint das grab auch ohne leichen,

Und nur allein zu einen Zeichen

Das jemandt sey darinn gelegn,

Sey nur die leinwadt noch zugegen.

PETRUS eylet hervor.

Ists also, wie man vorgegeben?

JOANNES.

So vill ich sech, doch bin ich ewen

Der sachen nur soweith vergwißt,

Als es noch zimlich dunkhel ist.

PETRUS.

Da wollen wür schon mittl finden,

Die rechte wahrheit zu ergründten,

Laß mich nur in das grab hinein,

So wirdt baldt alles richtig sein.


Petrus steigt in das grab hinein.


JOANNES.

Ich glaub, ich hab mich nicht geirret,

Der Corper seye schon entführet.

PETRUS.

So ists: ich fühle hin, und her,

So findt ich keinen leichnamm mehr.

Hier hab ich wohl das tuech gefunden,

In das der leib war eingebundten,

Das schweis tuech aber, wie mans pflegt

Das finde ich abseiths gelegt.

JOANNES steigt auch hinein.

Ein wunder ding, wie diß geschehen,

Ich heusche solches selbst zu sehen,

PETRUS.

Komm nur herein, damit du ewn

Mit mir könnst wahre Zeignuß geben.

JOANNES.

Ja ja dem ist, wie du von disem

Gleich denen frauen hast erwisen,[232]

Der leib des herrn ist entragn,

Wie sie uns anfangs thätten sagn.

PETRUS.

Du nimm die leinwad nur zu handen,

Damit wür unsren anverwandten

Die sach noch mehrers zu erwegn

Die selbe vor die augen legn.


Joannes nimbt die leynwadt, und steigt aus dem grab.


Was man uns sagt von seinem leben,

Das mus, und wird die Zeit schon geben,

Indessen aber wüssen wür,

Das seine leich nicht mehr allhier.

JOANNES.

Wan ich thue seiner worth gedenken,

So mus ich mich zur hoffnung lenken,

Gewis bezeigt sich in der thatt,

Was er so offt versprochen hat.

PETRUS.

Doch können wür noch nicht erkennen,

Was er die Urständt wollte nennen,

Die sach ist uns noch unbekandt,

Ja über menschlichen Verstandt.


Die 3 frauen gehen hervor.


MAGDALENA.

Ist dem nicht so, wie wür berichtet?

JOANNES.

Wür seind euch höchst darum verpflichtet.


Zeigt ihnen die leynwadt.


Diß ist nun, was wür diser Zeith

Von sein entwichnen leib erbeuth.

MAGDALENA.

Habt ihr nicht mehr erfahren können?

PETRUS.

Dahin stund freylich unser sennen,

Allein um sonst wür gehn sodan

Und zeugen es den Brüdern an.


Petrus und Johann gehen ab.


MAGDALENA.

Hier mus ich in verwundrung stehen,

Das sie nicht jenes auch gesehen,[233]

Was uns so clare Zeignus gab,

Das er erstanden aus dem grab.

MARIA SALOME.

Mir kommt diß gleich fahls nicht zu sinnen,

Warumen uns, und nicht auch ihnen.

MARIA JACOBE.

Auch ich diß nicht begreiffen kan,

Es ligt ja ihnen auch daran?

MAGDALENA.

Ein wunder ding! mir will dermahlen

Nichts anders, als nur diß beyfallen,

Ob uns zu spillen eine list,

Nicht jemandt hier verborgen ist.

Secht also umb in disem garten,

Allwo ihr meiner wollt erwarthen,

Ich will hier meinen gott und herrn

Allein in meiner andacht ehrn. – –


Die andere 2 gehen ab.


Ach Jesu nemme an zu gnaden

Die schwehrmuth welche mich beladen,

Weill mir noch nicht recht kuntbahr ist,

Wo du mein trost, und alles bist.

Ach kunt ich hier bey deinen füßen

In thrennen meine sündt abbüßen!

Es ist dir ja genug bekandt,

Das ich das weinen schon gewohnt.

Ich wollte so von deinen aschen,

All das vergoßne bluth abwaschen,

Weill ich wohl weis, das dises baadt

Bey dir gar ville würkung hat.

Jedoch umsonst seind alle thrennen,

So dich nicht mehr berihren kennen,

Ob ich gleich suche was ich kan,

So triff ich dich doch nicht mehr an.

2 ENGL.

Weib! Warum weinst?

MAGDALENA.

Soll ich nicht klagen,

Das man mir meinen Gott entragen?

Ich weis, ob ich gleich alls erwegt

Doch nicht, wo man ihm hingelegt.[234]

CHRISTUS in gestalt eines gartners stehet ohngefehr hinter der Magdalena, welche um sihet.

Weib! Warum weinst? Wen kanst nicht finden?

MAGDALENA.

Ach herr! ach thue mir doch verkinden,

Ob du nicht etwan diser tagen

Den leib hier aus dem grab getragen?

Ich will ihn in die Arme fassen,

Und selben nicht mehr von mir lassen,

Ach! das dich doch mein bitt bewegt,

Sag! wo hast du ihn hingelegt?

CHRISTUS.

Maria!

MAGDALENA.

Meister!

CHRISTUS.

Still die thrennen,

MAGDALENA.

O herr! nun thue ich dich erkennen.

Nun leb ich, ja du lebst in mir,

CHRISTUS.

Maria! mich nur nicht berühr.

Dan ich noch nicht zun himmels schaaren

Und meinen Vatter aufgefahren,

Die zeith ist kostbar: geh sodan,

Und kinde meinen brüdren an:

Ich werd nicht lang mehr hier verharren,

Zu mein, und euren Vatter fahren

Ich sey erstanden von dem todt

Und fahr zu mein, und euren gott.


Gehet eylendt ab, wie auch die Engl.


MAGDALENA.

O freydt! o über maß der freyden,

Ob er so gleich von mir thätt scheiden,

Wird mir doch diser trost allein

Ein lang ver süßte Nahrung sein.

Ich eyl sodan umb seinen willen

Treu, und gehorsam zu erfüllen,

Fahr liebster Jesu fahr nur hin!

Du bleibst mir doch im herz, und sinn.


Gehet ab, und wirdt zugezohen.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 231-235.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wette, Adelheid

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

1858 in Siegburg geboren, schreibt Adelheit Wette 1890 zum Vergnügen das Märchenspiel »Hänsel und Gretel«. Daraus entsteht die Idee, ihr Bruder, der Komponist Engelbert Humperdinck, könne einige Textstellen zu einem Singspiel für Wettes Töchter vertonen. Stattdessen entsteht eine ganze Oper, die am 23. Dezember 1893 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon