[Hyacinthe, deren Glocken]

[218] Hyacinthe, deren Glocken

Mandelröthelnd ich den Locken

Den kastanienbraunen gab

Meiner Liebsten mit ins Grab!


Hyacinthe, deiner Glocken

Nun beraubt, mußt du verstocken,

Unbeachtet bliebst du stehn,

Doch du sollst mir nicht vergehn.


Hyacinthe, neue Glocken

Kann mein Hauch dir nicht entlocken;

Deine Glocken sind bedeckt

Mit ihr, die kein Seufzer weckt.
[218]

Hyacinth', im Topfe trocken,

Meine Thräne soll dich locken

Wenn auch nicht zu blühen neu,

Doch zu wurzeln fest und treu.


Hyacinth', in Winterflocken

Hast du Zeit, dich zu bestocken

Und vielleicht am Frühlingslicht

Blühst du neu, sie blühet nicht.


Hyacinthe, deine Glocken

Sind verfallen ihren Locken;

Blüh' nur immer frühlingsmild,

Und statt ihrer kränz' ihr Bild!


Rechts und links des Bildes Locken

Schatten Myrt' und Lorber trocken;

In den welken Kranz dich misch',

Hyacinthe, frühlingsfrisch.

Quelle:
Friedrich Rückert: Kindertodtenlieder aus seinem Nachlasse, Frankfurt a.M. 1872, S. 218-219.
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