[Trost für Winterfrost]

[247] Trost für Winterfrost,

Mai, bringst du herbei;

Roth läßt dein Gebot

Blühn die Blum aus Grün;

Und durch Vogelmund

Thust du jeder Brust

Lust und Freude kund.


Doch mein Sinn steht noch

Nicht auf Freudenlicht,

Ganz ist Blumenglanz

Hier zuwider mir;

Pein auch mir allein

Drang durch Vogelsang

Bang ins Herz mir ein.
[247]

Wann vom Winterbann

Frei mein Herz, o Mai,

Soll und freudenvoll

Sein bei deinem Schein;

Richt' hieher dein Licht,

Mach, was schläft, hier wach!

Ach, das kannst du nicht.


Geh' nur hin und weh'

Um dies Heiligthum,

Luft, um diese Gruft!

Hall', o Vogelschall,

Lind im Frühlingswind!

Rief ich doch, und schlief

Tief und fest mein Kind.


Rief ich und es schlief

Taub vor mir im Staub,

Wind, so weckt geschwind

Auch es nicht dein Hauch.

Still und leise schwill',

Nah' nicht stürmisch ja,

Da es schlafen will!

Quelle:
Friedrich Rückert: Kindertodtenlieder aus seinem Nachlasse, Frankfurt a.M. 1872, S. 247-248.
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