Bestrafte Ungenügsamkeit

[298] Es war das Kloster Grabow im Lande Usedom,

Das nährte Gott vorzeiten aus seiner Gnade Strom.

Sie hätten sich sollen begnügen!


Es schwammen an der Küste, daß es die Nahrung sei

Den Mönchen in dem Kloster, jährlich zwei Fisch' herbei.

Sie hätten sich sollen begnügen!


Zwei Störe, groß gewaltig; dabei war das Gesetz,

Daß jährlich sie den einen fingen davon im Netz.

Sie hätten sich sollen begnügen!
[298]

Der andre schwamm von dannen, bis auf das andre Jahr,

Da bracht' er einen neuen Gesellen mit sich dar.

Sie hätten sich sollen begnügen!


Da fingen wieder einen sie sich für ihren Tisch;

Sie fingen regelmäßig jahraus jahrein den Fisch.

Sie hätten sich sollen begnügen!


Einst kamen zwei so große in einem Jahr herbei;

Schwer ward die Wahl den Mönchen, welcher zu fangen sei?

Sie hätten sich sollen begnügen!


Sie fingen alle beide; den Lohn man da erwarb,

Daß sich das ganze Kloster den Magen dran verdarb.

Sie hätten sich sollen begnügen!


Der Schaden war der kleinste, der größte kam nachher:

Es kam nun gar zum Kloster kein Fisch geschwommen mehr.

Sie hätten sich sollen begnügen!


Sie hat so lange gnädig gespeiset Gottes Huld;

Daß sie nun des sind ledig, ist ihre eigne Schuld.

Sie hätten sich sollen begnügen!


Quelle:
Friedrich Rückert: Werke, Band 1, Leipzig und Wien [1897], S. 298-299.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Erzählungen
Brahmanische Erzählungen