[338] O sei in keinem Augenblick,
Mein Herz! von Rausch und Liebe leer.
O wirf die Welt dir vom Genick,
Und deine Ichheit wirf ins Meer.
Der Liebe Meer ist reich und tief,
Die Eigenlieb' ist kahl und seicht.
Der Gang der Welt ist dumpf und schief,
Der Flug der Lieb' ist hoch und leicht.
[338]
Sieh an den frommen Mönch, und nimm
Ein Beispiel dran, nicht so zu sein.
Der Herr läßt leben gut und schlimm,
Die Selbsucht nur verdammt allein.
Wenn du den Himmel hast in dir,
So ist dir Tod und Leben gleich.
Und hast du nicht den Himmel hier,
Was nützt dir dort das Himmelreich?
Lieb' etwas hier und bet' es an,
Vergöttre nur dich selber nicht –
Mir brach der Eigenliebe Wahn,
Als ich dir sah ins Angesicht.
Du hast mit deiner Locken Band
Der Ichheit Fesseln abgestrüpft,
Und an der Seelen Vaterland
Mit deinen Blicken mich geknüpft.
Es hätte mich Verzweifelung
Getötet über deinen Glanz,
Hätt' ich in Liebeshuldigung
Nicht dir mich hingegeben ganz.
Du hast die Welt in Licht getaucht
Und hast mich außer mich gestellt,
Von deinem Odem angehaucht,
In dir zu schauen Gott und Welt. –
Ein Götzendiener bist du zwar,
Hafis, doch dienst auch du dem Herrn;
Denn wessen Rausch die Liebe war,
Wie wär' dem Quell der Lieb' er fern?