Die zehen gebot

[60] Zu singen in dem ton: O here got begnade mich.


(1530.)


1.

Got hat uns geben die gebot,

das erst: solst glauben in ein got.

hie ler, das sich got eben

dir hat zu eigen geben.

Dank im, o mensch, der güte sein,

das er sich tut annemen dein,

ist dein erlöser woren

vor dem ewigen zoren.

Hie klag dein schult, das du so oft

in got nit traut hast und gehoft;.

bit, das dein sel, herz und gemüt

vor ungelauben wert behüt,

sonder auf got trau feste.


2.

Zum andern solt den namen sein

nit nennen unnütz und gemein.[60]

hie solt sein namen leren

allein preisen und eren.

O mensch, dank hie dem schöpfer zart,

der dir sein nam hat offenbart,

das du in an magst rüfen,

sein hilf darbei tust prüfen.

Hie klag, das du sein heiling nam

hast braucht zu schweren, schant und scham;

bit got, das er dein herze ker,

das es sein namen preis und er

hie und dort ewiklichen.


3.

Zum dritten du die feiertag

solt heiligen nach gottes sag.

ler all welt gscheft zerstören

und gottes wort zu hören.

Dank got herzlich an disem ort,

das er dir geit sein heilig wort,

zeigt dir aus lauter güte

sein willen und gemüte.

Klag den sabbat, unnütz verbracht,

sein heilig wort gar oft veracht;

bit, das er treu prediger sent,

sein heilig wort nit von uns went,

vor irtum uns behüte.


4.

Zum vierten vatter, muter er.

aus dem, o mensch, so nim die ler,

sei in in vil und wenig

gehorsam untertenig.

Dank got, das er sorg für dich trug,

durch dein eltern dich auferzug,

züchtigt, strafet und leret,

dich speiset und erneret.

Klag, das du auch mit überlast

dein eltern oft betrübet hast;[61]

bit der eltern und oberkeit

wolfart ietz und zu aller zeit,

auf das sie wol regiren.


5.

Zum fünften: du solt töten nit.

schau mensch, hie magstu leren, mit

dem nechsten gunst zu tragen,

nit bschedigen noch schlagen.

Dank got, das er so treulich wacht,

hat auf dich und all menschen acht,

das keins dem andern schade

bei seiner straf ungnade.

Klag, das durch zoren haß und neit

dem nechsten tetst oft herzenleit;

bit, das er dir geb senften mut,

deim nechsten zu nutz und zu gut

du auch in frit mögst leben.


6.

Zum sechsten, so brich nit dein e.

mensch, aus dem lert dich got, verste!

züchtig und keusch zu leben,

kein ergernus zu geben.

Dank hie der treuen gottes güt,

die dir töchter und weib behüt,

durch sein gebot und willen

tut er vil unzucht stillen.

Klag, das du brachst an diesem ort,

sein gbot mit danken, werk und wort;

bit, das got allen menschen geb,

das man elich und züchtig leb,

schamhaft, wie frume cristen.


7.

Zum sibenden nit stelen solt.

hie ler und hab dein nechsten holt,

um sein gut in nit treuge,

vervorteil, noch ableuge.[62]

Dank got, das er auch hab in hut

so veterlich dein hab und gut,

tut das mit straf verfechten

vor allen ungerechten.

Klag, das du oft den nechsten dein

betrogen hast auch um das sein;

bit das wucher, geiz und fürkauf

bei aller welte höre auf,

das wir als cristen handlen.


8.

Zum achten kein falsch zeugnus gib.

wider dein nechsten, ler aus lib

all falsch nachred zu meiden,

heuchlen und er abschneiden.

Dank got, das er auch für dein er

und dein gut gerücht sorget ser,

kein falsche zung dir schade

bei seiner ungenade.

Klag, das dein zung in bitterm schmerz

betrübet hat auch manig herz;

bit, das got gebe alt und jung

ein warhaftig heilsame zung,

getreu und vol senftmüte.


9.

Zum neunten du deins nechsten haus

solt nit begeren. ler daraus,

nit zu haben begirde

deins nechsten stands und wirde.

Dank got, das er dein ampt und stant

treulich erhelt in seiner hant,

die dir heimlich nachstellen

nicht in ein unglück fellen.

Klag got, hastu heimlich verletzt;

deins nechsten haus girlich nachgsetzt;

bit got, das er dir geb ein mut,

das du begerst keins fremden gut,

laß dich an deim benügen.
[63]

10.

Zum zehenten fremd weib und kint

knecht, meit, ochsen, esel und rint

soltu gar nit begeren,

nachstellen, noch geferen.

Dank got, das er auch sorgt für dich,

für weib, kint, knecht, meit und das vich,

das dirs niemant verhetze,

abdring, stel, noch absetze.

Klag got, hastu dem nechsten dein

begirlich entwendet das sein;

bit einen guten geist von got,

zu wandlen in allem gebot

nach seinem willen. amen.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 60-64.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 1-4

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 1-4

Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.

640 Seiten, 29.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon