Der student im schne

[179] In des Römers gesangweis.


5. juni 1545.


1.

Zu Florenz ein student, der was Rainerius genant,

in lieb gen einer schonen witfrauen enbrant,

die in aber allein begert zu effen;

Als er ir het gehofieret ein lange zeit,

nun het es auf ein tag ein großen schne geschneit,

die frau dacht: »heint wil ich mein bulen treffen!«

Zu abents sie den anschlag macht,

ir meit heimlich zu dem studenten schicket,

das er zu ir kem auf die nacht,

auf das er würd in süßer lieb erquicket.

fro war der student, kam in hoff,

wart auf sein liebe frauen; in der eile

die meit herab die stiegen loff

und sprach zu im: »verziecht ein kleine weile!

in einem winkel euch verhalt

in unserm hof herniden,

bis von ir ge ir bruder alt,

dan wil ich balt

euch nauf berüfen.« dergestalt

was der student zufriden.


2.

Der student stund ein lange zeit also im schne,

entlich tet im der frost an füßen also we,[179]

das er an einer stat nicht mer kunt bleiben,

Und ging im schne zitrent, zanklaffent auf und ab,

sein ganzen leib der frost gewaltig übergab;

die frau schaut zu, den spot wart aus im treiben.

Vor tags ließ in die meit hinaus

sprach: »heut ist hie blieben der frauen bruder.

mein frau traurt um euch überaus.«

der student verstunt wol der untreu luder,

ging heim und legt sich krank zu bet,

die arzet an im schmierten siben wochen.

nach dem die frau ein bulen het,

der in lieb und treu von ir het gebrochen;

doch sucht die frau hilf und arznei

bei gemeltem studenten,

der leret sie ein zauberei,

das sie möcht frei

iren bulen zwingen darbei,

in lieb bei ir zu enten.


3.

Die frau fing an die zauberei und ging ser spat

hinaus an ein fließent waßer weit vor der stat,

darin tet sie zu sibenmal sich dücken

Und trug an irem arm ein kleines zinnes bilt,

darmit stieg sie auf einen öden turen wilt,

tet sibenmal gen mitternacht sich bücken;

Etlich segen sprach sie darab,

der student die leiter vom turen stale;

als nun die frau wolt steigen nab,

war hin die leiter, sie erschrak zu male.

nun het der turen kein obdach,

den tag must sie da braten an der sunnen,

haut und har ging ir ab darnach,

so war sie an der sunnen hitz verbrunnen.

herab half ir ein bauer alt.

der student mit den zoten,

wie er erfror im schne so kalt,

mit hitz bezalt

er sie. widergelten der gestalt,

spricht man, ist nicht verboten.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 179-180.
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