Die gensbrucken

[180] Im langen ton Heinrich Müglin.


6. juni 1545.


1.

Zwen kaufmenner zogen um rat zu Salomo,

der erst klagt im, wie er het ein bös weib also

widerspennig, zenkisch an allen orten;

Der ander klagt, wie er sein zeit on freut vertrieb

und das in gar auf ert niemant wolt haben lieb;

dis zeigtens all beid an mit kurzen worten.

Salomo zu dem ersten sprach:

»ge auf die gensbruck!« tets damit beschliesen:

zum andern kaufman er auch jach:

»hab lieb!« so wurdens beid von im gewiesen;

ir keiner wust nit, wie im war,

und ritten also widerumb ir strase,

kamen zu einer brucken dar,

darüber man maulesel treiben wase;

darunter war ein stetig maul,

das schlug der eseltreiber

wol drei mal, e das es wolt gen,

das dise zwen

in straften, da sprach er zu in:

»reit heim, straft eure weiber!«


2.

Der erst kaufman fragt, wie die schöne brucken hieß?

»man sagt die gensbruck.« da sprach er: »nun ists gewiß,

das ich mein weib mit streichen gut muß machen.«

Er kam zu haus und der ander kaufman mit im;

sein frau sach sie beid an über die achsel schlim,

kein gutes wort ginge aus irem rachen.[181]

Darzu must er nur schweigen stil,

gar lauträsig tet sie schelten und fluchen.

zu seinem gast sprach er: »ich wil

küng Salomonis rat an ir versuchen.«

nach dem er auf sein frauen schlug

vil starker streich, triebe sie in ein ecken

und sie beim har im sal umzug.

sie schrei mordio, tet beid hent aufrecken

und sprach: »hör auf, herzlieber man!

ich wil mich dir ergeben,

dir alzeit untertenig sein,

nicht reden ein,

geben forthin kein böses wort,

dieweil ich hab mein leben.«


3.

Von vilen streichen wart schwarz, gelb und blau ir leib,

darnach het er ein gütig und gutwillig weib,

hielt sich gehorsamlich nach rechter weise.

Der ander kaufman kam heim, lebt freuntlicher art,

darnach von allen menschen auch geliebet wart,

dan lieb bringt lieb, lieb ist der lieb ein speise.

So wurden sie all beid gewert,

da sie folgten her Salomonis rate,

also wo noch ein man auf ert

ein ungstüm bös widerspennig weib hate,

leidlicher im das fieber wer,

so het er etwan einen guten tage;

also sint im all stunt zu schwer.

drum folg er dem Salomo in der plage.

dergleich wo ein feintselig mensch

ist bei jungen und alten,

so sei er freuntlich und hab lieb –

wie das beschrieb

Johannes Boccatius – so

wird er auch lieb gehalten.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 180-182.
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