Der falsch notarius

[199] In dem blaben ton Frauenlobs.


20. april 1546.


1.

Ein notari zu Florenz saß,

er voller arger liste was

und war gar scharf gelerter kunst,

zu liegen und zu triegen.

Ein jungen burgers sun fragt er,

ob er bezalet worden wer

der fünfhundert gulden mit gunst,

die sein vatter in kriegen

Geliehen het einem haubtman

der fert gestorben iste?[199]

der jung sprach, er west nichts darvan.

der notari durch liste

sprach: »ich hab noch das instrument,

darin er hat die schult bekennt;

ich gib dirs um fünf gulden rot,

darmit magstu gesiegen.«


2.

Der jung das instrument bezalt,

einfordert für gerichte balt

des haubtmans sun und in verklagt

um die suma in zoren.

Des haubtmans sun fast laugen tet,

wie er seins vatters bücher het,

der keins von der schult sagt;

und wolt haben geschworen.

Doch vor zu dem notari lief,

sprach: »du boswicht, merk eben,

du hast gemacht ein falschen brief.

mein vatter in seim leben

von dem entlenet hat kein gelt.«

der jurist sprach: »du hast gefelt!

ich war selb bei diser handlung;

gschach, e du warst geboren.


3.

Das gelt lieh er deim vatter bar,

doch darnach in dem ersten jar

hat in dein vatter wider zalt,

des hab ich ein quittanzen,

Und wan du gibst fünf gulden mir,

so wil ich sie zustellen dir,

so wirst du von im ledig balt

und darfst nit vil kramanzen.«

Der jung im auch fünf gulden gab.

also er sie beid schunde[200]

und schweißet in ir geltlich ab

mit listen also runde.

das ist noch der juristen kunst:

sie machen einen blaben dunst,

das seinem beutel wirt gestrelt.

das in got geb die Franzen!

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 199-201.
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