Eulenspiegel mit dem heiltum

[202] In der meienweis Jörg Schillers.


28. april 1546.


1.

Als Eulenspiegel durch das lant

mit seiner schalkheit war bekant,

schier keinen guten platz mer fant;

wan durch sein tück

stift vil unglück,

das man sein balt het gnug.

Darum er auf ein sumerzeit

sich einem pfaffen gleich bekleit,

darmit stationieren reit

im lant herum

mit dem heiltum

und vil leut mit betrug.

Wan er het ein kal totenhaubt

aus einem kernterhaus geraubt,

das selb er faßen ließ, gelaubt!

ein weng in silber ein

und kam ins lant zu Pommern mit,

west da der selben pfaffen sit,

das sie hetten studiret nit;

den nur war wol,

das sie stets vol

soffen bei bier und wein.


2.

Wo er auf einen kirchtag kam,

so legt er aus sein ablaßkram,

den dorfpfaffen balt zu im nam,

sprach: »der halb teil

sei dir zu heil,[203]

laß mich ein predig tan.«

Alsdan für den koraltar stunt,

mit dem geschwetz so ward er runt,

darnach sein heiltum zeigen gunt:

»das totenhanbt

das ist, gelaubt,

vom heiling Stolprian,

Das euer lieb mit andacht schau!

und steuret beide man und frau!

das gelt ghört zu einem großen bau,

im zu einem gotshaus;

doch nur von reinem gebet her.

ob ein ebrecherin da wer,

der selben gelt ich nit beger;

die selb bleib sten,

tu nit her gen

und geb kein opfer aus.«


3.

Als die beuerin hörten das,

welch schon ein ebrecherin was,

so opfert sie nur dester bas,

das mans nur sech

und sie frum sprech;

manche opfert drei mal.

Welche kein gelt het aller ding,

vom finger zugs e ab ein ring

und darmit auch gen opfer ging;

von irem dreng

wurt schier zu eng

die kirchen überal.

Wan welche het geopfert nicht,

die het man übel ausgericht,

man het gemeint, sie wer entwicht.

darum tetens all gon.

das opfer Eulenspiegel num,[204]

sie waren gleich bös oder frum,

und bestreich sie mit dem heiltum.

kem einer her

mit dem opfer,

brecht auch vil golts darvon.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 202-205.
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