Der hochfertig keiser

[274] Im rosenton Hans Sachsen.


21. juni 1549.


1.

Gesta Romanorum mit name

sagt, als der keiser herscht zu Rome,

Jovianus, von stolzer art,

der sagt im herzen aus hochfart,

wie das kein ander got, dan ere,

im himel noch auf erden were.

Um den hochmut tet in got plagen;

als er eins tags ausritt zu jagen

in großer hitz, badet er sich

in der Tiber, augenblicklich

ein engel legt an sein gewande

und setzt sich auf sein roß zuhande,

Ritt mit dem hofgsind aus dem walt,

dan er het gar des keisers gstalt,

und ward als der keiser geeret;

dem keiser wart sein gstalt verkeret,

als er stieg aus der Tiber groß,

fand er weder gewant noch roß,

auch war hinweg sein hofgesinde,

des erschrak der keiser geschwinde.


2.

Nun lag darbei eins herren hofe,

zu dem der nackent keiser lofe

und da an den herren begert,

das man im liehe kleid und pfert;

wiewol er sich den keiser nennet

kein mensch in zu hof darfür kennet.

Der herr ließ in mit ruten schlagen

und wider zu dem hof ausjagen,[275]

gleich als ob er ein spitzbub wer.

ellent lof der nackent keiser

auf ein schloß zu eim grafen gwise,

der in unerkant strafen ließe.

Nach dem kert er in die stat Rom

und nackent für sein palast kam,

niemant erkennet in dergleichen,

do entbot er heimlich warzeichen

der keiserin, die sagt die ding

dem engel, der schuf, das man fing

den keiser, ließ mit ruten hauen

in angesichte seiner frauen.


3.

Nach dem jagt man in aus Rom balde,

do lof er nackent in ein walde,

da ein frumer einsidel saß,

dem er zu füßen fallen was,

bekent sein sünd und missetate;

der einsidel got für in bate,

Das er gwan sein gstalt widerume;

in kleidet der einsidel frume,

darmit er balt gen Rome lent,

da in alles hofgesint kent

und tet im reverenz; zur stunde

der engel im palast verschwunde.

Do erkennet Jovianus,

das in got het geschickt zu buß,

dieweil er sein herz het erhaben

in hochfart ob den gottes gaben.

aus der geschicht uns klar erscheint,

das got der hochfart ist ein feint.

wer sich aufbaumet got zuwider,

den kan er plötzlich stürzen nider.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 274-276.
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