[308] In der spruchweis Hans Sachsen.
10. mai 1553.
1.
Am Rein ein bauer sase,
alt ungehöret wase,
der tet gen Bingen laufen
und tet ein sau im kaufen,
wan er wolt hochzeit halten
kürzlich mit seiner alten.
Ein edelman mit name
im auf der straß bekame
und grüßt in an dem orte,
der bauer im antworte:
»junkher, von Bingen here«;
meint, fragt, wan her trieb ere.
Der edelman in traue
fragt in: »was gilt die saue?«
der bauer meint, er fraget
nach der hochzeit, und saget:
»junkher, sie ist versprochen
von heut über vier wochen,
wils got, so wöl wir alle
tanzen mit reichem schalle.«
2.
Des lacht der edelmane
und redt in wider ane:
»muß ich auft hochzeit kumen?«
der bauer het vernumen,
er fraget an der stete,
was die sau golten hete,[309]
Dem junkherren antworte:
»drei gulden und ein orte.«
der antwort zu den sachen
der edelman must lachen,
sprach: »hab dir drüs in lappen!
du ghörst nit als dildappen.«
Der bauer in dem stücke
vermeint, er wünscht im glücke
zu seiner lieben braute,
und antwort überlaute:
»got geb euch noch so vile,
junkher, ich wünschen wile,
wan glücks dürf wir wol beide,
schwer ich bei meinem eide.«
3.
Der junkher flucht dem bauren
und saget zu dem lauren:
»ja, mein dreck auf dein maule!«
der bauer war nit faule,
meint, er bet, in aus gnaden
auf sein hochzeit zu laden,
Sprach: »junkher, gar vermeßen,
freilich müßt ir mit eßen;
euch ich nit außen laße.«
der junkher reit sein straße
und lacht, das er must hossen,
der ungereimten possen.
Drum wer nit wol gehöret,
ist sam halb taub und töret,
das man doch in den sachen
nit spotlich sol verlachen.
das alter, tut man sprechen,
kumet mit vil gebrechen
macht all kreft schwach und mate,
ieder bei im verstate.
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