Schwank: Eulenspiegels disputation mit einem bischof ob dem brillenmachen

[111] Eulenspiegel etwan vor jaren,

in aller schalkheit wol erfaren,

loff in eim winter über felt,

het schlechte kleider und kein gelt;

in dem da sach er dort von weiten

ein reising zeug gegen im reiten.

dasselbige ein bischof war;

derselbige wolt gen Worms dar,

alda solt werden ein reichstag,

und mancher fürste darzu lag,

solten betrachten gmeinen nutz,

römischem reich zu hilf und schutz,

das auf dißmal vil anstöß het.

als er im nun begegnen tet,

Eulenspiegel tet ab sein hut

und neigt sich gen dem bischof gut;[111]

der hielt, sach Eulenspiegel an,

merkt wol, das er war ein fatzman,

dacht im: ich hört bei allen tagen,

kinder und narrn die warheit sagen,

ich will gleich disen reden an,

der wirt mir gar balt sagen tan,

was das gschrei ist von fürstn und hern

bei dem gmein man nahet und fern.


Der bischof.


Und sprach: gut gsell, wann her so schwint,

so übel kleidt in schne und wint?

du solt bleibn under dem obdach.


Eulenspiegel.


Eulenspiegel hinwider sprach:

gnediger herr, ich muß wol wandern

von einem lande zu dem andern

meim hantwerk nach durch Poln und Preußn,

durch Hungern, Behem, Sachsn und Reußn,

Frankreich, Schotten und Engellant,

durch Niderlant, Hollant, Brabant,

den Reinstrom, Frankn, Beiern und Schwaben,

kunt doch nirgent kein arbeit haben

nun daling in das dritte jar,

so bös ist iezt mein hantwerk gar.


Der bischof.


Der bischof fraget wider her,

was hantwerks Eulenspiegel wer,

das so unwert wer in der welt.


Eulenspiegel.


Eulenspiegel herwider melt:

gnediger herr, ein brillenmacher;

das ist meins laufens ein ursacher,

drumb ich kein arbeit überkum.


[112] Der bischof.


Der bischof antwort widerumb:

wie kan das sein? und tet sein lachen,

ich denk vürwar, das brillenmachen

sei iezt vil beßer den vor jarn,

weil wir im teglichen erfarn

haben, das ganz menschlich natur

wirt schwecher und brechlicher nur

und nimt an allen kreften ab;

derhalb darfs wol steuer und lab,

voraus das blöd menschlich gesicht,

das denn durch die brillen geschicht;

derhalb ist brillenmachen wert,

weil auch iezunt auf ganzer ert

die leien lesen also vil,

schier ieder doctor werden wil

und in der schrift umbfantasieren,

wil mit den geistling disputieren

und sie auch in die bücher jagen,

derhalb darf ich für warheit sagen,

das man iezt mer list den vor jaren,

weil die leien einfeltig waren,

mit den glerten nit conversierten,

die auch dest weniger studierten,

ließen die bücher auch mit ru.

das sint merklicher ursach zwu,

das brillenmachen werter ist

den vor jaren zu keiner frist,

ich glaub noch, die schult wert dein wern,

du seist faul und arbeitst nit gern,

streunst lieber umb so weit und ferr.


Eulenspiegel.


Nein, bei meim eit, gnediger herr,

ich wil euch die sach baß erklern,

das ir mir werdet glauben gern.[113]

solt mein hantwerk nit sein verdorben?

from geistlich leut sind fast all gstorben,

die vil lasen in heilger schrift

und leschten aus der ketzer gift,

suchten allein die gottes er

und die liebe irs nechsten mer,

dan iren eigen rum und nutz,

on allen neit, zoren und trutz;

die sint fast all gen himel gfarn

und iezunt vil brillen erfparn;

die alten pfaffen, so noch leben,

und die alten münich darneben

haben ir horas und gebet

so lang getriben frü und spet,

das sie es als können auswendig,

dörfen keiner brillen beihendig,

dergleich der jungen münich haufen,

so iezt aus den klösteren laufen

und hin und wider hantwerk lern,

und sich wie ander leien nern,

die dörfen auch der brillen nicht,

darumb mein hantwerk ist entwicht,

dergleichen auch fürsten und hern

in teutfch landen weit unde fern

nutzen iezt auch kein brillen nicht.


Der bischof.


Der bischof sprach: mich des bericht,

warumb dörfens der brillen nit?


Eulenspiegel.


Er antwort: sie haben den sit,

das sie nur durch die finger sehen.


Der bischof.


Der bischof sprach: wie mag das gschehen?

die fürsten haben groß hofgsint,

auch sint ir amptleut runt und schwint,[114]

durchtriben, aller schalkheit vol,

drumb dörfens scharpfer brillen wol,

das sie baß drauf sehen, glaub ich,

e die katz würt ir bestes vich;

drumb tu mir solches baß erklern.


Eulenspiegel.


Eulenspiegel antwort: gar gern.

gnediger herr, secht! im Teutschlant

get raub, gefengnus, mort und brant

wider all recht und billichkeit

iezunt im schwank ein lange zeit

durch heimlich practik und bös tück

gar mannich tyrannischer stück,

welches den meisten teil auch get

über die burger und reichstet.

solch unrecht soltn die fürsten wern

und understen bei iren ern

und dem römischen reich beisten,

es nit laßen zu trümmern gen.

so sitzn die fürsten stil mit ru

und sehen durch die finger zu,

derhalb dörfens keinr brillen nicht,

zu behalten ein gut gesicht,

wie vor die alten fürsten heten,

die ir lant sauber halten teten

und schauten scharpf auf alle straß,

und wo ein lantfridbrecher was,

der aufrürisch wart in dem lant,

den tetens mit gwaltiger hant

hertreiben und teten in stillen;

da warn in hohem wert die brillen,

gar köstlich da mein hantwerk was,

weil iederman noch nutzet das;

iezt ist es worden gar unwert

bei geistling und weltling auf ert,

das mir wer bei meim hantwerk not,

das ich schier eß das bettelbrot.


[115] Der bischof beschließt:


Der bischof lachet, frölich sprach:

gut gsell, kom gen Wormes hernach

und iß zu hof, frei unbeschwert,

so lang und diser reichstag wert,

wan es wirt drauf von fürstn und herrn,

hoff, etwas guts beschloßen wern,

auf das im Teutschlant beßer ste,

und dein hantwerk von statten ge,

das du auch komst zu er und gut.

der bischof mit frölichem mut

rucket mit seinem zeug dahin

und dacht heimlich in seinem sin:

weiß der gmein man von disen tücken,

das wir heimlich teten verdrücken

als mit geferbtem guten schein,

vermeinten, es solt heimlich sein,

so ist es warlich hohe zeit,

das wir unschult und grechtigkeit

in dem verdrückten teutschen lant

hilf reichen mit gerechter hant,

das uns kein unrat daraus wachs.

got wöll, das balt gschech, wünscht Hans Sachs.


Anno salutis 1554., am 29. tage Augusti.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 111-116.
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