[352] DER RIESS KUPERON tregt ein grossen schlüssel, sicht ubersich gehn himel unnd spricht.
Es ist ein grosser nebel heudt,
Was er halt wunderlichs bedeut?
Der trach ist gewest ungestümb,
Er schewst umb das gebirg herümb
Und thut alle winckel beschawen
Zu huet und wach seiner jungfrawen,
Darzu ich doch den schlüssel hab,
Den mir sol niemandt nöten ab.
Der trach der hat mich diese nacht
Unrwig und munter gemacht;
Wil mich gehn wider legen schlaffen,
Dieweil ich sunst nichs hab zu schaffen.
Der rieß geht ab. Der zwerg unnd Sewfriedt kummen. Sewfriedt klopfft mit seiner streitaxt an. Der zwerg weicht, der rieß spricht.
[352]
Wer klopfft an meiner hölen an?
Harr, harr, ich wil baldt zu dir gan.
DER RIESS springt herauß mit seiner stehelen stangen unnd spricht.
Hör zu, du junger, thu mir sagen,
Wer hat dich in die wildtnuß tragen?
Warumb klopffst an meinem gemach?
Ich mein, da gehest straichen nach,
Die sollen dir wern bald von mir.
DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.
Schlagens beger ich nit von dir,
Sünder wölst mir den schlüssel geben,
Das ich von dem hartselich leben
Die zarten jungfraw mag erlösen,
Von dem trachen, dem uberbösen,
Der sie wider recht helt gefangen
Nun etwas boy vier jarn vergangen,
Da ers köng Gibich hat genummen.
Schaw, rieß, darumb bin ich herkummen,
Die jungfraw wider heim zu bringen.
KUPERON, DER RIESS spricht.
Du junger hach, schweig von den dingen!
Wilst da dich solichs unterstehn,
Deinr hundert müssen zu boden gehn,
Eh du kumbst auff den trachenstein.
Zeuch ab, mit trewen ich dich mein,
Mich erbarmet dein junges blut,
Das seim unglück nach-suchen thut.
Fleuch, oder ich weiß dir die straß.
DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.
Hör, rieß, von dir ich nit ablaß,
Biß du her-gibst den schlüssel mir.[353]
DER RIESS KUPERON spricht.
Beit, beit, ich wil in geben dir,
Den schlüssel, daß däs rote blut
Dir uber dein haubt ablaufen thut.
Der rieß schlecht mit der stangen nach Sewfriedt, springt im auß dem streich, zeucht sein schwerdt, kempffen mit einander. Dem riessen entpfelt die stangen, er buckt sich, im wirt ein streich.
DER RIESS laufft Sewfridt wider an und spricht.
Du junger heldt, da mustw sterben,
Von meiner handt elendt verderben.
DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.
Ich hoff, gott werdt mir bey-gestehn,
Das du selb must zu drümmern gehn.
Sewfriedt trifft den rissen wider, der lest die stangen fallen, laufft darvon.
DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.
Nun kumb herauß und wer dich mein,
Oder bring mir den schlüssel dein,
Das ich kumb zu der jungfraw schon
So wil ich dir kein leidt mehr thon.
DER RIESS kumbt wider mit eim schwert, helmblin und schildt, spricht.
Harr, ich wil dir den schlüssel geben!
Du must enden dein junges leben,
Ich wil dich selb lebendig fahen
Und dich an einen bawmen hahen,
Dir zu ewigem hon und spott.
DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.
Vor dir wöl mich behüten gott!
Mit des hilff hoff ich mich mit ehrn
Mich dein, des teuffels knecht, zu wern,
Der du beschlossen hast die magdt.
Derhalb so sey dir widersagt.
[354] Sie schlagen einander, biß der rieß niderfelt unnd schreyt.
O helt, verschon dem leben mein,
So wil ich dein gefangner sein,
Wil geben dir mein schilt und schwert,
Die sindt wol eines landes wert,
Ich wil sein dein leib-eigner man.
Er reckt beidt hende auff.
DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.
Ja, rieß, das wil ich geren than,
Doch schleuß mir auff die pfort am stein,
Das ich die jungfraw zart und rein
Dem giffting trachen ungefüg
Mit dem kampff abgewinnen müg.
DER RIESS KUPERON spricht.
Das wil ich thun, verbindt mir eh,
Dein wunden thun mir also weh;
Darnach so wil ich mit dir gohn.
Und was einr dem andern hat thon,
Das sol nun als verzigen sein.
Der hörnen Sewfriedt verbindt ihm die wunden mit eim facilet unnd spricht darnach.
Ja, das ist auch der wille mein.
Sie bieten die hendt einander, der rieß zeigt ihm ein orht unnd spricht.
Schaw, sichst du diese stauden dorten?
Da selb ist des gebirges pforten,
Darein geht ein stiegen warlich,
Wol acht klaffter dieff untersich.
Erst kumb wir zu der pforten groß,
Darvor ein starck eyseren schloß,
Das wil ich denn auffsperren dir.
Ich volg dir, geh du hin vor mir.
DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.
Erst thu ich mich von hertzen frewen,[355]
Mich sol kein müe noch arbeit rewen,
Das ich nur die zarten jungfrawen
Mit meinen augen sol anschawen.
Sewfriedt geht vor an, der rieß nach, zuckt sein schwerdt, schlecht den hörnen Sewfriedt nider. Das Zwerglein würfft sein nebel-kappen auff Sewfrid.
DER RIESS wil in erstechen, kan in aber nit sehen, sticht umb, spricht.
Wie ist mir dieser heldt verschwunden?
Ich thet in uber-hardt verwunden,
Das er mir für die füß thet fallen.
Das ist mir ein wunder ob allen,
Das ich in nirgendt sehen kan,
Ich wolt in geren gar abthan.
Der rieß sucht in hin und wider, der zwerg richt Sewfrieden auff, der würfft die nebel-kappen von ihm, laufft den rissen an, kempffen, biß der rieß nider-geschlagen wirdt.
SEWFRIEDT spricht.
Du trewloser man, nun must sterben,
Kein mensch sol dir gnad erwerben.
KUPERON, DER RIESS reckt baidt hendt auff, bit unnd spricht.
Schon meinem lebn, du küner degen,
Würgst mich, so must du dich verwegen
Der schönen jungfrawen, glaub mir;
Ohn mich so kan kein mensch zu ir.
SEWFRIEDT spricht.
Der jungfraw lieb, die zwinget mich,
Das ich muß lassen leben dich.
Baldt geh voran und sper uns auff
Den trachenstain, das wir hienauff
Kummen zu der jungfrawen zart,
So darauff ligt gefangen hart.
DER RIESS KUPERON steht auff, niembt die schlüssel unnd spricht.
Du tugenthaffter junger man,
Das wil ich willig geren than,[356]
Ich merck, du biß von edlem stammen.
Nun wöllen wir gehn baidesamen
Und auff-schliessen den trachenstein,
Das thu, ich und das zwerglein klein
Zu der jungfrawen gehen doch
Etwas auff dausent staffel hoch
In dem holen fels hin und wider,
Biß wir die erentreichen bider
Erraichen auff des birges spitz,
Da sie in grosem unmuht sitz
Und wartet des grawsamen trachen,
Der sich bald zum gebirg wirt machen,
Der jungfrawen zu-fürt mit fleiß
In seinen klopern tranck und speiß.
DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.
Nun geh voran mit wenig worten
Und entschleuß uns des birges pforten,
Das wir baldt kummen zu der zarten,
Die ist auff ir erlössung warten,
Das sie kumb zu irn eltern schier.
Des wil ich sein behilfflich ir;
Darzu wöl gott auch helffen mir.
Sie gehen alle drey ab.
Buchempfehlung
Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.
76 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro