Actus 5.

[357] DIE JUNGFRAW CRIMHILT geht ein, setzt sich trawrig und spricht.

Ey, wil sich gott den nit erbarmen

Uber mich gar ellenden armen?

Maß hie in dieser wildtnuß bleiben,

Mein junge tag in laid vertreiben

Bey dem grewlich, grawsamen trachen,

Der mein hüet tag und nacht mit wachen,

Vor dem ich abendt und den morgen[357]

Auch meines lebens muß besorgen.

Wen hör ich herauff gehn allein

In des gebirges wendel-stein

Darain doch kam kein mensch fürwar

Von ietzt an biß ins vierdte jar?


Der rieß Kuperon geht ein mit dem hörnen Sewfriedt und dem zwerg.


DIE JUNGFRAW gesegnet sich und spricht.

Ach, Sewfriedt, wer bringt euch hieher?

Ewer leben steht in gefehr

Vor dem grewlichen, grossen trachen.

Der wirt sich gar bald zuher machen,

Die sunn steht auff dem mittag grat;

Darumb flicht baldt, das ist mein raht.

Solt euch widerfaren ein leit,

Das rewet mich meins lebens zeit;

Drumb flicht, sagt vatter und mutter mein,

Ich mües ewig gefangen sein,

Das man sich mein verwegen sol.

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Künckliche magdt, gehabt euch wol,

Ich wil euch von dem grossen trachen

Mit gottes hilff frey ledig machen,

Oder wil darob willig sterben.

KUPERON, DER RIESS zeigt im ein schwerdt an der erden unnd spricht.

Wenn du wilt hie den preiß erwerben,

So must da nemen jenes schwerdt;

Wann kein waffen auff gantzer erdt

Mag diesen trachen machen wundt,

Denn ienes schwert, thu ich dir kundt.


Der hörnen Sewfriedt buckt sich, das schwerdt auff zu heben. Kuperon, der rieß, schlecht wider auff ihn.


SEWFRIEDT ergreifft das schwerdt unnd spricht.

Ach du meinaidig, trewloß man,[358]

Kanst du deiner untrew nit lahn?

Nun must du sterben, es ist zeit,

Dreymal hast da brochen dein eidt.


Die jungfraw waindt, windt ir hendt. Sie schlagen einander, biß der rieß felt.


SEWFRIEDT würfft in uber-ab bey einem bein unnd spricht.

Nun fall uber des birges joch

Auff etlich hundert klaffter hoch

Und zerfal dich in dausendt stück

Und hab dir alles ungelück!


Er kert sich zu der jungfrawen unnd spricht.


Ach jungfraw, nun seidt wolgemut,

Ich hoff, es werdt nun alles gut.

Verwegen meinen leib ich wag,

Ungessen biß an vierdten tag.


Der zwerg geht ab.


DIE JUNGFRAW spricht.

Ach, ewer zukunfft ich mich frew.

Ich danck euch aller lieb und trew,

Das ir umb mein willen kumbt her

Und gebt euch in todtes gefehr.

Nun, hilfft mir gott durch euch darvon

Haim zu landt, so wil ich euch hon

Für meinen ehlichen gemahel,

Mein trew euch halten vest wie stahel.

DER ZWERG KUMBT bringt ein gülden schalen vol confect und spricht.

O strenger helt, ich kan ermessen,

Weil ir so lang nichts habet gessen,

Wirt euch nun gehn an krefften ab.

Derhalb ich euch hieher bracht hab

Krefftig confect, mit thut euch laben.

Ir werdt nit lang zu ruen haben,

Wert kempffen müssen mit dem trachen,

Der sich baldt wirt dem birg zu machen.


[359] Der hörnen Sewfriedt isset ein wenig.


DIE JUNGFRAW fecht an und schreit.

O, ich hör den trachen weit draussen

Hoch in den lüfften einher saussen

Sehr ungestümb und ungehewer,

Und speidt auß seinem rachen fewer.

Darumb fliecht, werder helde, sehr,

Oder stellet euch zu der wehr.

DER ZWERG nimbt die schalen und spricht.

O, kumbt der trach, so bleib ich nicht!

Der angst-schweiß mir ob im außbricht,

Ich bin im vil zu schwach und Mein,

Wil bhalten mich in holen stein.

DIE JUNGFRAW spricht.

Mein heldt Sewfriedt, nun fliehet auch

Vor des trachen fewer und rauch

Und verstecket euch auch mit mir,

Biß sich der gifftig rauch verlier.


Da fliehens alle drey. Der trach kumbt, speidt fewer, laufft hin und her. Wenn er verscheust, laufft ihn

Sewfriedt an, der trach reist im den schilt vom halß, stöst ihn umb, laufft uberhin. Sewfriedt fert wider auff, schlecht auff den trachen, biß der felt, den würfft er auch hinab. Sewfriedt felt vor amacht umb.


DIE JUNGFRAW kumbt, legt im sein kopff auff ir schoß, spricht kleglich.

Nun muß es gott geklaget sein,

Ist abgeschieden die sele dein

Vor müde und grosser amacht!

Mein lieb dich in den unfal bracht.

DAS ZWERGLEIN kumbt unnd schawet zu Sewfrieden und spricht.

Ach jungfraw, der heldt ist nit todt,

Er ligt in amacht grosser noht.

Gebt im nur dieser wurtzel ein,

So kumbt er zu im selber fein.


[360] Die jungfraw gibt ihm die wurtzel ein.


DER HÖRNEN SEWFRIEDT sizt auff und spricht.

Wo bin ich, und wie ist mir gschehen?

Ich kan schier weder hörn noch sehen.

DIE JUNGFRAW halst und küsset in und spricht.

Mein Sewfriedt, seyt keck und getröst,

Ich bin durch ewer handt erlöst,

Des habet danck und ewig preiß.

DER ZWERG spricht.

Auch habt ir erlöst gleicher weiß

Mich und mein hoffgsindt in dem berg.

Ich bin ein könig uber dausendt zwerg;

Uns bezwang der rieß Kuperon,

Das wir im mustn sein unterthon.

Nun sindt wir auch ledig und frey,

Got und euch preiß und ehre sey!

DER HÖRNEN SEWFRIEDT steht auff und spricht.

Wolauff, so wöllen wir auff sein,

Eillen gehn Wurmbs an den Rein,

Zu ewrem herr vatter Gibich,

Der wirt sich frewen hertziglich.

DER ZWERG EWGELEIN spricht.

Sewfriedt, ich wil das gleidt euch geben

Und euch die strassen weissen eben

Auß dieser grossen wüsteney,

Dieweil sie gar unwegsam sey,

Wil darnach fürfarn in weng tagen,

König Gibich ewr zukunfft sagen.

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Nun walt sein gott, so wöl wir frey

Mit frewdn haimreiten alle drey.

Dieweil du hast des gstirn kunst,[361]

So sag da mir auß trew und gunst

Wie es mir gehn sol, ubl oder wol,

Und wie lang ich auch leben sol,

Auch wie ich nemen werdt ein endt.

DER ZWERG schawet auff an das gestirn unnd spricht.

Das firmament nichts guts erkent.

O küner heldt, du rewest mich,

Das gestirn, das zeiget auff dich,

Dir werdt die jungfraw zum weib geben,

Bey der werst du nur acht jar leben.

Nach dem wirst du im schlaff erstochen,

Das doch auch endtlich wirt gerochen

An den untrewen mördern dein.

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Nun, was gott wil, das selb muß sein.

Wolauff! nit lenger wöl wir beitten,

Gehn Wurmbs an den Rein zu reitten.


Sie gehen alle drey ab.


KÖNIG GIBICH gehet ein mit seinem heroldt, setzt sich trawrig unnd spricht.

Ach gott, erst bin ich ellendt gar,

Weil ich biß in das vierdte jar

Mein tochter Crimhildt hab verlorn,

Die von eim wurm hingfürt ist worn,

Die ich vielleicht sie nimmer mehr.

Das kümmert mein gmahel so sehr,

Das sie auch starb vor hertzen-leidt.

Also hab ichs verloren baidt.

DER ZWERG EWGELEIN kumbt und spricht.

Herr könig, nun seiet getröst!

Ewr tochter ist vom trachn erlöst

Durch Sewfrieden vor kurtzer stundt,

Die kummet ietzt frisch und gesundt.

KÖNIG GIBICH spricht.[362]

Diß sindt die aller-liebsten mer,

Der ich nie hab gehört, bißher

Mein liebe tochter war geborn.

Lang mir her stiffel und die sporn,

Das ich meinr tochter entgegn reit.

DER ZWERG spricht.

Herr könig, ungemüet seit,

Sie sindt schon zu nechst vor dem schloß

Baide abgestanden von roß,

Sie kummen gleich baide zumal

Herauff in den küncklichen sal.


Sewfriedt füret Crimhilden ein.


DER KÖNIG gehet in entgegen, umbfecht sein tochter und spricht.

Biß mir wilkumb, o tochter mein.

Wie unaußsprechlich grosse pein

Hat seither mein hertz umb dich erlieden,

Das auch dein mutter ist verschieden.

DER KÖNIG peut Sewfrieden die handt und spricht.

Sewfriedt, du trewer helde mein,

Fürbaß solt du mein aiden sein,

Wie ich dir denn verhaissen hab,

Als du zu Wurmbs schiedest ab.

Sag, wie und wo du habst gefunden

Mein tochter, und auch uberwunden

Den trachen, du mein lieber aiden.

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Des wil ich euch ornlich beschaiden,

Das ir solt hören grosse wunder.

Itzt aber sindt wir müdt besunder,

Müssen auß-ruen. Nach wenig tagen

Wil ich von stück zu stück euch sagen,

Mit was gefehr ich hab gestritten;[363]

Auch was ewr tochter hab erlitten

In den vier jaren bey dem trachen,

Wirt sie euch alles kundtbar machen.

KÖNIG GIBICH spricht.

Nun es ist gut, heindt habet rue

Morgen wöll wir rahtschlagen, wue

Und wenn wir hochzeit wöllen halten

Und wuniglicher frewden walten

Mit allem adel an dem Rein,

Mit frawen und jungfrewelein.

Nun kummet zum nachtmal herein.


Sie gehen alle ab.


Quelle:
Hans Sachs. Band 13, Tübingen 1870–1908, S. 357-364.
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