Der Eroberer

[12] Dir, Eroberer, dir schwellet mein Busen auf,

Dir zu fluchen den Fluch glühenden Rachedursts,

Vor dem Auge der Schöpfung,

Vor des Ewigen Angesicht!


Wenn den horchenden Gang über mir Luna geht,

Wenn die Sterne der Nacht lauschend heruntersehn,

Träume flattern – umflattern

Deine Bilder, o Sieger, mich


Und Entsetzen um sie – Fahr ich da wütend auf,

Stampfe gegen die Erd, schalle mit Sturmgeheul

Deinen Namen, Verworfner,

In die Ohren der Mitternacht.


Und mit offenem Schlund, welcher Gebirge schluckt,

Ihn das Weltmeer mir nach – ihn mir der Orkus nach

Durch die Hallen des Todes –

Deinen Namen, Eroberer!


Ha! dort schreitet er hin – dort, der Abscheuliche,

Durch die Schwerter, er ruft (und du, Erhabner, hörsts),

Ruft, ruft: Tötet und schont nicht,

Und sie töten und schonen nicht.


Steigt hoch auf das Geheul – röcheln die Sterbenden

Unterm Blutgang des Siegs – Väter, aus Wolken her

Schaut zur Schlachtbank der Kinder,

Väter, Väter, und fluchet ihm.[12]


Stolz auf türmt er sich nun, dampfendes Heldenblut

Trieft am Schwert hin, herab schimmerts, wie Meteor,

Das zum Weltgericht winket –

Erde, fleuch! der Erobrer kommt.


Ha! Eroberer, sprich: Was ist dein heißester,

Dein gesehntester Wunsch? – Hoch an des Himmels Saum

Einen Felsen zu bäumen,

Dessen Stirne der Adler scheut,


Dann hernieder vom Berg, trunken von Siegeslust,

Auf die Trümmer der Welt, auf die Erobrungen

Hinzuschwindeln, im Taumel

Dieses Anblicks hinweggeschaut.


O ihr wißt es noch nicht, welch ein Gefühl es ist,

Welch Elysium schon in dem Gedanken blüht,

Bleicher Feinde Entsetzen,

Schrecken zitternder Welt zu sein,


Mit allmächtigem Stoß hoch aus dem Pole, dann

Auszustoßen die Welt, fliegenden Schiffen gleich

Sternenan sie zu rudern,

Auch der Sterne Monarch zu sein.


Dann vom obersten Thron, dort wo Jehova stand,

Auf der Himmel Ruin, auf die zertrümmerte

Sphären niederzutaumeln –

O das fühlt der Erobrer nur!


Wenn die blühendste Flur, jugendlich Eden gleich,

Überschüttet vom Fall stürzender Felsen traurt,

Wenn am Himmel die Sterne

Blassen, Flammen der Königsstadt


Aufgegeißelt vom Sturm gegen die Wolken wehn,

Tanzt dein trunkener Blick über die Flammen hin.

Ruhm nur hast du gedürstet,

Kauf ihn, Welt, – und Unsterblichkeit.[13]


Ja, Eroberer, Ja – du wirst unsterblich sein.

Röchelnd hofft es der Greis, du wirst unsterblich sein,

Und der Wais und die Witwe

Hoffen, du wirst unsterblich sein.


Schau gen Himmel, Tyrann – wo du der Sämann warst,

Dort vom Blutgefild stieg Todeshauch himmelan,

Hinzuheulen in tausend

Wettern über dein schauendes


Haupt! wie bebt es in dir! schauert dein Busen! – Ha!

Wär mein Fluch ein Orkan, könnt durch die Nacht einher

Rauschen, geißeln die tausend

Wetterwolken zusammen, den


Furchtbar brausenden Sturm auf dich herunter fliehn,

Stürmen machen, im Drang tobender Wolken dich

Dem Olympus itzt zeigen,

Itzt begraben zum Erebus.


Schauer, schauer zurück, Würger, bei jedem Staub,

Den dein fliegender Gang wirbelnd gen Himmel weht:

Es ist Staub deines Bruders,

Staub, der wider dich Rache ruft.


Wenn die Donnerposaune Gottes vom Thron itzt her

Auferstehung geböt – aufführ im Morgenglanz

Seiner Feuer der Tote,

Dich dem Richter entgegenriss',


Ha! in wolkigter Nacht, wenn er herunterfährt,

Wenn des Weltgerichts Waag durch den Olympus schallt,

Dich, Verruchter, zu wägen

Zwischen Himmel und Erebus,


An der furchtbaren Waag aller geopferten

Seelen, Rache hineinnickend, vorübergehn

Und die schauende Sonne

Und der Mond und die horchende[14]


Sphären und der Olymp, Seraphim, Cherubim,

Erd und Himmel hineinstürzen sich, reißen sie

In die Tiefe der Tiefen,

Wo dein Thron steigt, Eroberer!


Und du da stehst vor Gott, vor dem Olympus da,

Nimmer weinen, und nun nimmer Erbarmen flehn,

Reuen nimmer, und nimmer

Gnade finden, Erobrer, kannst,


O dann stürze der Fluch, der aus der glühenden

Brust mir schwoll, in die Waag, donnernd wie fallende

Himmel – reiße die Waage

Tiefer, tiefer zur Höll hinab,


Dann, dann ist auch mein Wunsch, ist mein gefluchtester,

Wärmster, heißester Fluch ganz dann gesättiget,

O dann will ich mit voller

Wonn, mit allen Entzückungen


Am Altare vor dir, Richter, im Staube mich

Wälzen, jauchzend den Tag, wo er gerichtet ward,

Durch die Ewigkeit feiren,

Will ich nennen den schönen Tag!


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 12-15.
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