Vierter Auftritt


[327] Max Piccolomini. Octavio Piccolomini. Questenberg.


MAX.

Da ist er ja gleich selbst. Willkommen, Vater!


Er umarmt ihn. Wie er sich umwendet, bemerkt er Questenbergen und tritt kalt zurück.


Beschäftigt, wie ich seh? Ich will nicht stören.

OCTAVIO.

Wie, Max? Sieh diesen Gast doch näher an.

Aufmerksamkeit verdient ein alter Freund;

Ehrfurcht gebührt dem Boten deines Kaisers.

MAX trocken.

Von Questenberg! Willkommen, wenn was Gutes

Ins Hauptquartier Sie herführt.

QUESTENBERG hat seine Hand gefaßt.

Ziehen Sie

Die Hand nicht weg, Graf Piccolomini,

Ich fasse sie nicht bloß von meinetwegen,

Und nichts Gemeines will ich damit sagen.


Beider Hände fassend.


Octavio – Max Piccolomini!

Heilbringend, vorbedeutungsvolle Namen!

Nie wird das Glück von Österreich sich wenden,

So lang zwei solche Sterne, segenreich

Und schützend, leuchten über seinen Heeren.

MAX.

Sie fallen aus der Rolle, Herr Minister,

Nicht Lobens wegen sind Sie hier, ich weiß,[327]

Sie sind geschickt, zu tadeln und zu schelten –

Ich will voraus nichts haben vor den andern.

OCTAVIO zu Max.

Er kommt vom Hofe, wo man mit dem Herzog

Nicht ganz so wohl zufrieden ist als hier.

MAX.

Was gibts aufs neu denn an ihm auszustellen?

Daß er für sich allein beschließt, was er

Allein versteht? Wohl! daran tut er recht,

Und wirds dabei auch sein Verbleiben haben. –

Er ist nun einmal nicht gemacht, nach andern

Geschmeidig sich zu fügen und zu wenden,

Es geht ihm wider die Natur, er kanns nicht.

Geworden ist ihm eine Herrscherseele,

Und ist gestellt auf einen Herrscherplatz.

Wohl uns, daß es so ist! Es können sich

Nur wenige regieren, den Verstand

Verständig brauchen – Wohl dem Ganzen, findet

Sich einmal einer, der ein Mittelpunkt

Für viele tausend wird, ein Halt; – sich hinstellt

Wie eine feste Säul, an die man sich

Mit Lust mag schließen und mit Zuversicht.

So einer ist der Wallenstein, und taugte

Dem Hof ein andrer besser – der Armee

Frommt nur ein solcher.

QUESTENBERG.

Der Armee! Jawohl!

MAX.

Und eine Lust ists, wie er alles weckt

Und stärkt und neu belebt um sich herum,

Wie jede Kraft sich ausspricht, jede Gabe

Gleich deutlicher sich wird in seiner Nähe!

Jedwedem zieht er seine Kraft hervor,

Die eigentümliche, und zieht sie groß,

Läßt jeden ganz das bleiben, was er ist,

Er wacht nur drüber, daß ers immer sei

Am rechten Ort; so weiß er aller Menschen

Vermögen zu dem seinigen zu machen.

QUESTENBERG.

Wer spricht ihm ab, daß er die Menschen kenne,[328]

Sie zu gebrauchen wisse! Überm Herrscher

Vergißt er nur den Diener ganz und gar,

Als wär mit seiner Würd er schon geboren.

MAX.

Ist ers denn nicht? Mit jeder Kraft dazu

Ist ers, und mit der Kraft noch obendrein,

Buchstäblich zu vollstrecken die Natur,

Dem Herrschtalent den Herrschplatz zu erobern.

QUESTENBERG.

So kommts zuletzt auf seine Großmut an,

Wieviel wir überall noch gelten sollen!

MAX.

Der seltne Mann will seltenes Vertrauen,

Gebt ihm den Raum, das Ziel wird er sich setzen.

QUESTENBERG.

Die Proben gebens.

MAX.

Ja! so sind sie! Schreckt

Sie alles gleich, was eine Tiefe hat;

Ist ihnen nirgends wohl, als wos recht flach ist.

OCTAVIO zu Questenberg.

Ergeben Sie sich nur in gutem, Freund!

Mit dem da werden Sie nicht fertig.

MAX.

Da rufen sie den Geist an in der Not,

Und grauet ihnen gleich, wenn er sich zeigt.

Das Ungemeine soll, das Höchste selbst

Geschehn wie das Alltägliche. Im Felde

Da dringt die Gegenwart – Persönliches

Muß herrschen, eignes Auge sehn. Es braucht

Der Feldherr jedes Große der Natur,

So gönne man ihm auch, in ihren großen

Verhältnissen zu leben. Das Orakel

In seinem Innern, das lebendige, –

Nicht tote Bücher, alte Ordnungen,

Nicht modrigte Papiere soll er fragen.

OCTAVIO.

Mein Sohn! Laß uns die alten, engen Ordnungen

Gering nicht achten! Köstlich unschätzbare

Gewichte sinds, die der bedrängte Mensch

An seiner Dränger raschen Willen band;

Denn immer war die Willkür fürchterlich –

Der Weg der Ordnung, ging' er auch durch Krümmen,

Er ist kein Umweg. Grad aus geht des Blitzes,[329]

Geht des Kanonballs fürchterlicher Pfad –

Schnell, auf dem nächstem Wege, langt er an,

Macht sich zermalmend Platz, um zu zermalmen.

Mein Sohn! Die Straße, die der Mensch befährt,

Worauf der Segen wandelt, diese folgt

Der Flüsse Lauf, der Täler freien Krümmen,

Umgeht das Weizenfeld, den Rebenhügel,

Des Eigentums gemeßne Grenzen ehrend –

So führt sie später, sicher doch zum Ziel.

QUESTENBERG.

O! hören Sie den Vater – hören Sie

Ihn, der ein Held ist und ein Mensch zugleich.

OCTAVIO.

Das Kind des Lagers spricht aus dir, mein Sohn.

Ein fünfzehnjährger Krieg hat dich erzogen,

– Du hast den Frieden nie gesehn! Es gibt

Noch höhern Wert, mein Sohn, als kriegerischen,

Im Kriege selber ist das Letzte nicht der Krieg.

Die großen, schnellen Taten der Gewalt,

Des Augenblicks erstaunenswerte Wunder,

Die sind es nicht, die das Beglückende,

Das ruhig, mächtig Daurende erzeugen.

In Hast und Eile bauet der Soldat

Von Leinwand seine leichte Stadt, da wird

Ein augenblicklich Brausen und Bewegen,

Der Markt belebt sich, Straßen, Flüsse sind

Bedeckt mit Fracht, es rührt sich das Gewerbe.

Doch eines Morgens plötzlich siehet man

Die Zelte fallen, weiter rückt die Horde,

Und ausgestorben, wie ein Kirchhof, bleibt

Der Acker, das zerstampfte Saatfeld liegen,

Und um des Jahres Ernte ists getan.

MAX.

O! laß den Kaiser Friede machen, Vater!

Den blutgen Lorbeer geb ich hin, mit Freuden,

Fürs erste Veilchen, das der März uns bringt,

Das duftige Pfand der neuverjüngten Erde.

OCTAVIO.

Wie wird dir? Was bewegt dich so auf einmal?

MAX.

Ich hab den Frieden nie gesehn? – Ich hab ihn[330]

Gesehen, alter Vater, eben komm ich –

Jetzt eben davon her – es führte mich

Der Weg durch Länder, wo der Krieg nicht hin

Gekommen – o! das Leben, Vater,

Hat Reize, die wir nie gekannt. – Wir haben

Des schönen Lebens öde Küste nur

Wie ein umirrend Räubervolk befahren,

Das in sein dumpfig-enges Schiff gepreßt,

Im wüsten Meer mit wüsten Sitten haust,

Vom großen Land nichts als die Buchten kennt,

Wo es die Diebeslandung wagen darf.

Was in den innern Tälern Köstliches

Das Land verbirgt, o! davon – davon ist

Auf unsrer wilden Fahrt uns nichts erschienen.

OCTAVIO wird aufmerksam.

Und hätt es diese Reise dir gezeigt?

MAX.

Es war die erste Muße meines Lebens.

Sag mir, was ist der Arbeit Ziel und Preis,

Der peinlichen, die mir die Jugend stahl,

Das Herz mir öde ließ und unerquickt

Den Geist, den keine Bildung noch geschmücket?

Denn dieses Lagers lärmendes Gewühl,

Der Pferde Wiehern, der Trompete Schmettern,

Des Dienstes immer gleichgestellte Uhr,

Die Waffenübung, das Kommandowort, –

Dem Herzen gibt es nichts, dem lechzenden.

Die Seele fehlt dem nichtigen Geschäft –

Es gibt ein andres Glück und andre Freuden.

OCTAVIO.

Viel lerntest du auf diesem kurzen Weg, mein Sohn!

MAX.

O schöner Tag! wenn endlich der Soldat

Ins Leben heimkehrt, in die Menschlichkeit,

Zum frohen Zug die Fahnen sich entfalten,

Und heimwärts schlägt der sanfte Friedensmarsch.

Wenn alle Hüte sich und Helme schmücken

Mit grünen Maien, dem letzten Raub der Felder!

Der Städte Tore gehen auf, von selbst,

Nicht die Petarde braucht sie mehr zu sprengen,[331]

Von Menschen sind die Wälle rings erfüllt,

Von friedlichen, die in die Lüfte grüßen, –

Hell klingt von allen Türmen das Geläut,

Des blutgen Tages frohe Vesper schlagend.

Aus Dörfern und aus Städten wimmelnd strömt

Ein jauchzend Volk, mit liebend emsiger

Zudringlichkeit des Heeres Fortzug hindernd –

Da schüttelt, froh des noch erlebten Tags,

Dem heimgekehrten Sohn der Greis die Hände.

Ein Fremdling tritt er in sein Eigentum,

Das längstverlaßne, ein, mit breiten Ästen

Deckt ihn der Baum bei seiner Wiederkehr,

Der sich zur Gerte bog, als er gegangen,

Und schamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen,

Die er einst an der Amme Brust verließ.

O! glücklich, wem dann auch sich eine Tür,

Sich zarte Arme sanft umschlingend öffnen –

QUESTENBERG gerührt.

O! daß Sie von so ferner, ferner Zeit,

Und nicht von morgen, nicht von heute sprechen!

MAX mit Heftigkeit sich zu ihm wendend.

Wer sonst ist schuld daran, als ihr in Wien? –

Ich wills nur frei gestehen, Questenberg!

Als ich vorhin Sie stehen sah, es preßte

Der Unmut mir das Innerste zusammen –

Ihr seid es, die den Frieden hindern, ihr!

Der Krieger ists, der ihn erzwingen muß.

Dem Fürsten macht ihr 's Leben sauer, macht

Ihm alle Schritte schwer, ihr schwärzt ihn an –

Warum? Weil an Europas großem Besten

Ihm mehr liegt als an ein paar Hufen Landes,

Die Östreich mehr hat oder weniger –

Ihr macht ihn zum Empörer, und, Gott weiß!

Zu was noch mehr, weil er die Sachsen schont,

Beim Feind Vertrauen zu erwecken sucht,

Das doch der einzge Weg zum Frieden ist;

Denn hört der Krieg im Kriege nicht schon auf,[332]

Woher soll Friede kommen? – Geht nur, geht!

Wie ich das Gute liebe, haß ich euch –

Und hier gelob ichs an, versprützen will ich

Für ihn, für diesen Wallenstein, mein Blut,

Das letzte meines Herzens, tropfenweis, eh daß

Ihr über seinen Fall frohlocken sollt!


Er geht ab.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 327-333.
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