Sechster Auftritt


[503] Buttler und Gordon.


GORDON erstaunt.

Erklärt mir. Was bedeutete der Auftritt?

BUTTLER.

Sie hat den Mann verloren, den sie liebte.

Der Piccolomini wars, der umgekommen.[503]

GORDON.

Unglücklich Fräulein!

BUTTLER.

Ihr habt gehört, was dieser Illo brachte,

Daß sich die Schweden siegend nahn.

GORDON.

Wohl hört ichs.

BUTTLER.

Zwölf Regimenter sind sie stark, und fünf

Stehn in der Näh, den Herzog zu beschützen.

Wir haben nur mein einzig Regiment,

Und nicht zweihundert stark ist die Besatzung.

GORDON.

So ists.

BUTTLER.

Nicht möglich ists, mit so geringer Mannschaft

Solch einen Staatsgefangnen zu bewahren.

GORDON.

Das seh ich ein.

BUTTLER.

Die Menge hätte bald das kleine Häuflein

Entwaffnet, ihn befreit.

GORDON.

Das ist zu fürchten.

BUTTLER nach einer Pause.

Wißt! Ich bin Bürge worden für den Ausgang,

Mit meinem Haupte haft ich für das seine.

Wort muß ich halten, führs wohin es will,

Und ist der Lebende nicht zu bewahren,

So ist – der Tote uns gewiß.

GORDON.

Versteh ich Euch? Gerechter Gott! Ihr könntet –

BUTTLER.

Er darf nicht leben.

GORDON.

Ihr vermöchtets?

BUTTLER.

Ihr oder ich. Er sah den letzten Morgen.

GORDON.

Ermorden wollt Ihr ihn?

BUTTLER.

Das ist mein Vorsatz.

GORDON.

Der Eurer Treu vertraut!

BUTTLER.

Sein böses Schicksal!

GORDON.

Des Feldherrn heilige Person!

BUTTLER.

Das war er!

GORDON.

O was er war, löscht kein Verbrechen aus!

Ohn Urtel?

BUTTLER.

Die Vollstreckung ist statt Urtels.

GORDON.

Das wäre Mord und nicht Gerechtigkeit,

Denn hören muß sie auch den Schuldigsten.[504]

BUTTLER.

Klar ist die Schuld, der Kaiser hat gerichtet,

Und seinen Willen nur vollstrecken wir.

GORDON.

Den blutgen Spruch muß man nicht rasch vollziehn,

Ein Wort nimmt sich, ein Leben nie zurück.

BUTTLER.

Der hurtge Dienst gefällt den Königen.

GORDON.

Zu Henkers Dienst drängt sich kein edler Mann.

BUTTLER.

Kein mutiger erbleicht vor kühner Tat.

GORDON.

Das Leben wagt der Mut, nicht das Gewissen.

BUTTLER.

Was? Soll er frei ausgehn, des Krieges Flamme,

Die unauslöschliche, aufs neu entzünden?

GORDON.

Nehmt ihn gefangen, tötet ihn nur nicht,

Greift blutig nicht dem Gnadenengel vor.

BUTTLER.

Wär die Armee des Kaisers nicht geschlagen,

Möcht ich lebendig ihn erhalten haben.

GORDON.

O warum schloß ich ihm die Festung auf!

BUTTLER.

Der Ort nicht, sein Verhängnis tötet ihn.

GORDON.

Auf diesen Wällen wär ich ritterlich,

Des Kaisers Schloß verteidigend, gesunken.

BUTTLER.

Und tausend brave Männer kamen um!

GORDON.

In ihrer Pflicht – das schmückt und ehrt den Mann;

Doch schwarzen Mord verfluchte die Natur.

BUTTLER eine Schrift hervorlangend.

Hier ist das Manifest, das uns befiehlt,

Uns seiner zu bemächtigen. Es ist an Euch

Gerichtet, wie an mich. Wollt Ihr die Folgen tragen,

Wenn er zum Feind entrinnt durch unsre Schuld?

GORDON.

Ich, der Ohnmächtige, o Gott!

BUTTLER.

Nehmt Ihrs auf Euch. Steht für die Folgen ein!

Mag werden draus was will! Ich legs auf Euch.

GORDON.

O Gott im Himmel!

BUTTLER.

Wißt Ihr andern Rat,

Des Kaisers Meinung zu vollziehen? Sprecht!

Denn stürzen, nicht vernichten will ich ihn.

GORDON.

O Gott! Was sein muß, seh ich klar wie Ihr –

Doch anders schlägt das Herz in meiner Brust.

BUTTLER.

Auch dieser Illo, dieser Terzky dürfen[505]

Nicht leben, wenn der Herzog fällt.

GORDON.

O nicht um diese tut mirs leid. Sie trieb

Ihr schlechtes Herz, nicht die Gewalt der Sterne.

Sie warens, die in seine ruhge Brust

Den Samen böser Leidenschaft gestreut,

Die mit fluchwürdiger Geschäftigkeit

Die Unglücksfrucht in ihm genährt – Mag sie

Des bösen Dienstes böser Lohn ereilen!

BUTTLER.

Auch sollen sie im Tod ihm gleich voran.

Verabredt ist schon alles. Diesen Abend

Bei eines Gastmahls Freuden wollten wir

Sie lebend greifen, und im Schloß bewahren.

Viel kürzer ist es so. Ich geh sogleich,

Die nötigen Befehle zu erteilen.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 503-506.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Wallenstein
Lektürehilfen Friedrich Schiller 'Wallenstein'
Wallensteins Lager /Die Piccolomini
Wallensteins Tod.
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht Tübingen 1800
Wallenstein: Ein dramatisches Gedicht (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Herzog Theodor von Gothland. Eine Tragödie in fünf Akten

Den Bruderstreit der Herzöge von Gothland weiß der afrikanische Anführer der finnischen Armee intrigant auszunutzen und stürzt Gothland in ein blutrünstiges, grausam detailreich geschildertes Massaker. Grabbe besucht noch das Gymnasium als er die Arbeit an der fiktiven, historisierenden Tragödie aufnimmt. Die Uraufführung erlebt der Autor nicht, sie findet erst 65 Jahre nach seinem Tode statt.

244 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon